Verfahrensgang

LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 02.04.1998; Aktenzeichen L 6 Lw 1/97)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 2. April 1998 wird zurückgewiesen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger, Nebenerwerbslandwirt, begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Beklagten für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. September 1995, während dessen er Anschluß-Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen hatte. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte die Versicherungspflicht mit Bescheiden vom 28. Juni 1995 und 20. Mai 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 1996 festgestellt und einen Befreiungsantrag des Klägers abgelehnt. Ab Oktober 1995 bezog der Kläger Unterhaltsgeld; die Beklagte befreite ihn mit Bescheid vom 7. Juni 1996 ab diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht.

Streitig ist allein, ob es sich bei der vom Kläger bezogenen Anschluß-Alhi um eine „vergleichbare Leistung” iS des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) handelt. Dies haben das Sozialgericht Stralsund (SG) und das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (LSG) verneint (Urteile vom 26. März 1997 und vom 2. April 1998). Dazu hat das LSG die folgenden Argumente erwogen:

Das gesamte Sozialrecht außerhalb des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) kenne keine Norm, in der Arbeitslosengeld und „vergleichbare Leistungen” erwähnt würden und mit dieser Formulierung auch die Alhi gemeint sei. Vielmehr werde die Alhi, wenn eine Vorschrift sie erfasse, stets zusätzlich zum Arbeitslosengeld ausdrücklich genannt. Unspezifiziert alle Leistungen des Arbeitsamtes benenne der Gesetzgeber (zB in § 58 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – ≪SGB VI≫) mit „öffentlich-rechtlichen Leistungen des Arbeitsamtes”. Wenn § 3 Abs 4 Nr 2 ALG die Alhi nicht nenne, so könne das dafür sprechen, daß der Gesetzgeber die Erwerbsersatzeinkommen nach dem AFG abschließend aufzählen wolle. Jedenfalls sprächen sachliche Argumente dafür, daß die Alhi von dieser Vorschrift nicht erfaßt werde. Die Alhi habe überwiegend nicht die Funktion eines Erwerbseinkommensersatzes, weder iS des ALG (§ 3 Abs 4 Satz 1 ALG) noch vor allem iS des Sozialgesetzbuchs – Viertes Buch – (SGB IV). § 3 Abs 4 ALG sei im wesentlichen wortgleich mit der Aufzählung in § 18a Abs 3 SGB IV als gesetzliche Definition des Erwerbsersatzeinkommens nach Abs 1 Nr 2 dieser Vorschrift; hierzu zähle nach allgemeiner Meinung die Alhi ebenfalls nicht. Sinn und Zweck des § 3 Abs 4 ALG bestätigten dies auch für das ALG. Da die Alhi wesentlich niedriger sei als das zunächst gezahlte Arbeitslosengeld, seien auch die daraus erworbenen Rentenanwartschaften geringer. Die Doppelversicherung sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in der Alterssicherung der Landwirte bringe keine Nachteile für die Betroffenen, da die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung allein von der Bundesanstalt für Arbeit getragen würden; die Beiträge zur Beklagten seien zudem beim Kläger durch den höchstmöglichen staatlichen Beitragszuschuß (also zu 80 %) finanziert worden. Eine Doppelversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Alterssicherung der Landwirte sei verfassungsrechtlich unbedenklich (s BVerfG vom 31. Mai 1988, BVerfGE 78, 232). Auch gesetzessystematische Gesichtspunkte stimmten mit dem gewonnenen Auslegungsergebnis überein. § 8 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) verweise hinsichtlich der auf die Produktionsaufgabenrente anrechenbaren Einkommen auf § 3 Abs 4 ALG, während andererseits die Produktionsaufgabenrente im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung für die Alhi als Einkommen zu berücksichtigen sei (§ 138 AFG; eine Ausnahme für die Produktionsaufgabenrente ist nicht ersichtlich). Träfe im übrigen die Ansicht des Klägers zu, so würde jemand mit Alhi-Ansprüchen unter der Geringfügigkeitsgrenze (1/7 der Bezugsgröße) versicherungspflichtig zur Alterskasse bleiben, müßte sich aber diese geringe Alhi bei der Höhe des Zuschusses zusammen mit den Einkünften aus der Landwirtschaft selbst möglicherweise auch noch zuschußmindernd anrechnen lassen.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend,

ob es sich bei der Alhi, jedenfalls aber bei Anschluß-Alhi, um eine „vergleichbare Leistung von einem Sozialleistungsträger” iS des § 3 Abs 4 Nr 2 ALG handelt.

Er meint, der Alhi, jedenfalls der Anschluß-Alhi, komme primär Lohnersatz- und nicht Unterhaltsfunktion zu, und setzt sich im einzelnen mit den Argumenten des LSG auseinander. Die fraglos bestehenden Ungereimtheiten ließen allenfalls den Schluß zu, daß der Gesetzgeber die Wechselwirkungen (§§ 32 ff ALG / § 8 FELEG) und Bezüge zu anderen (gemeinsamen) Vorschriften (§ 18a SGB IV) nicht gesehen habe und daß eine erforderliche klare Trennung zwischen originärer und Anschluß-Alhi nicht getroffen werde. Dies dürfe allerdings nicht zu Lasten des Klägers gelten. Der Beschwerdeführer meint schließlich, daß die doppelte Beitragspflicht, „der uU keine doppelte Leistung etwa wegen des Fehlens von versicherungsrechtlichen Voraussetzungen entspricht”, einen nicht hinnehmbaren Eingriff zu Lasten des Klägers und einen Verstoß gegen das Grundgesetz darstelle.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Der Senat mißt der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung bei. Denn ihre Antwort ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Alhi – auch Anschluß-Alhi – ist keine „vergleichbare Leistung von einem Sozialleistungsträger” iS des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau der bereits vom LSG angeführten Erwägungen. Die entgegenstehende Argumentation des Beschwerdeführers vermag demgegenüber nicht zu überzeugen.

Mit den zutreffenden Argumenten des LSG drängt es sich auf, die Rechtsfragen des Beschwerdeführers zu verneinen. Der Senat mißt insoweit dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, daß sich das Ergebnis – wenn auch möglicherweise nicht im Einzelfall des Klägers, so doch insgesamt für betroffene Nebenerwerbslandwirte – äußerst positiv auswirkt. Infolgedessen sind die vom Beschwerdeführer vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken auch nicht annähernd gerechtfertigt. Damit entfällt die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung von vornherein.

Das Zusammenspiel der Regelung von AFG (bzw jetzt: Sozialgesetzbuch – Drittes Buch ≪SGB III≫) und ALG führt vielmehr in der Regel dazu, daß Nebenerwerbslandwirte, die Alhi beziehen, ihre Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu tragen haben. Dies erklärt sich aus folgendem:

Die Gewährung von Alhi setzt Bedürftigkeit voraus. Hieraus folgt, daß – jedenfalls regelmäßig – der betroffene Nebenerwerbslandwirt einen nicht unerheblichen Anspruch auf Beitragszuschuß zu den Beiträgen zur Beklagten hat. Nach § 33 ALG besteht Anspruch auf den Beitragszuschuß in voller Höhe (80 % des Beitrags) bis zu einem jährlichen Einkommen von DM 16.000,– (bzw für Ehepaare bis zum doppelten Betrag: § 32 Abs 2 ALG). Der vom Betroffenen persönlich zu tragende Rest von 20 % des Beitrags (im Jahre 1995 also – Wert des Beitrittsgebiets nach § 7 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 1995 ≪BGBl I 1994, 3806≫ – DM 47,40/Monat) ist wiederum bei der Bedürftigkeitsprüfung für die Alhi vom Einkommen abzusetzen (§ 138 Abs 2 Nr 2 AFG, nunmehr § 194 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III). Dies aber bedeutet nichts anderes, als daß der Betrag der dem Kläger zustehenden Alhi jedenfalls dann um genau den Betrag ansteigt, der als (Rest-)Beitrag zur Beklagten zu entrichten ist, wenn eigenes Einkommen – zB aus Landwirtschaft – auf die Alhi anzurechnen ist. Dieser Absenkung der Eigenleistung an dem Beitrag zur Alterssicherung der Landwirte auf DM 0,–/Monat stehen nicht unerhebliche Leistungsansprüche gegenüber. Für den Regelfall, daß der Nebenerwerbslandwirt, wie wahrscheinlich auch der Kläger, in der gesetzlichen Rentenversicherung die Wartezeit von 60 Monaten zurückgelegt hat, führt nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG (idF des Gesetzes vom 15. Dezember 1995, BGBl I 1814) jeder Beitrag zu Rentenansprüchen. Nach der genannten Vorschrift werden nämlich auf die Wartezeiten nach dem ALG die Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet.

Die Entscheidung über die Kosten erfolgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175187

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