Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 22.07.1993)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Juli 1993 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet, weil die von ihm geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nicht vorliegt. Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich, ob ein Landessozialgericht (LSG) die vom Sozialgericht (SG) irrtümlich nicht zugelassene Berufung nachträglich zulassen darf (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl, RdZiff 45 zu § 144).

Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Rechtsfrage noch klärungsbedürftig ist, denn sie betrifft möglicherweise nur außer Kraft getretenes Recht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I S 50) am 1. März 1993 ist nämlich in Fällen, in denen das SG aus welchen Gründen auch immer die Berufung nicht zugelassen hat, bei Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl § 145 SGG nF) gegeben. Selbst wenn man aber davon ausginge, daß auch nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Januar 1993 noch Fälle der nachträglichen Zulassung der Berufung außerhalb des Beschwerdeverfahrens nach § 145 SGG nF denkbar geblieben sind oder daß die Rechtsfrage wegen einer beträchtlichen Anzahl noch schwebender Verfahren, die noch nach altem Recht zu beurteilen sind, klärungsbedürftig geblieben ist, so fehlt ihr jedenfalls die Klärungsfähigkeit. Denn die zur Entscheidung gestellte Frage ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich (vgl dazu SozR 1500 § 160a Nr 31; auch Nr 54).

Auch wenn das LSG die Berufung gegen das sozialgerichtliche Urteil nicht anstelle des SG hätte zulassen dürfen, wäre die Berufung hier statthaft gewesen, weil sie – entgegen der Ansicht des LSG – nicht nach § 148 Nr 3 SGG aF ausgeschlossen war. Nach dieser – zum 1. März 1993 außer Kraft getretenen – Vorschrift war in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung die Berufung (von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen) nicht zulässig, wenn sie die Neufeststellung der Versorgungsbezüge wegen Änderung der Verhältnisse betraf. Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Entgegen der Meinung des LSG bedeutet es keine „Neufeststellung von Versorgungsbezügen wegen Änderung der Verhältnisse”, wenn nach einer bindenden Ablehnung einer versorgungsrechtlichen Dauerleistung in der Vergangenheit über einen Neuantrag auf dieselbe Dauerleistung zu entscheiden ist. Dies folgt daraus, daß, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat (BSGE 58, 27 = SozR 1300 § 44 Nr 16), ein Ablehnungsbescheid auch dann kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, wenn er eine Dauerleistung betrifft (vgl auch Wiesner bei Schroeder-Printzen ua, Zehntes Buch des Sozialgesetzbuches ≪SGB X≫ Anm 2 zu § 48; Schneider-Danwitz in Gesamtkommentar RdZiff 65b Nr 3 zu § 45 SGB X). Demnach trifft die Rechtsansicht des LSG nicht zu, daß es sich bei dem Ablehnungsbescheid des Beklagten vom Januar 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 1986, mit dem der erste Antrag auf Pflegezulage abgelehnt worden war, um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gehandelt hat. Folglich hat der Beklagte mit dem neuerlichen Ablehnungsbescheid vom 16. September 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1989 über einen Neuantrag, und nicht über einen Antrag auf Aufhebung des alten Ablehnungsbescheides wegen Änderung der Verhältnisse und Neufeststellung der seinerzeit beantragten Leistung (§ 48 SGB X) entschieden. Dem entsprach der Streit- und der Berufungsgegenstand vor dem SG und vor dem LSG. Mithin lag nach dem maßgeblichen alten Recht kein Fall des Berufungsausschlusses vor, so daß die durch das LSG ausgesprochene nachträgliche Zulassung der Berufung entbehrlich war (vgl dazu auch Meyer-Ladewig, SGG, 4. Aufl, Anm 5 zu § 148 SGG). Die der – unveröffentlichten – Entscheidung des BSG vom 27. März 1980 (Az 10 RV 55/79) zugrundeliegende, der Meinung des LSG entsprechende Rechtsauffassung ist durch das vorzitierte spätere Urteil des BSG (vom 30. Januar 1985) überholt.

Da die Berufung gegen das sozialgerichtliche Urteil ohnehin statthaft war, kann die Entscheidung des Rechtsstreits auch nicht davon abhängen, ob das LSG zu der von ihm beabsichtigten Zulassung berechtigt war. Im Kostenausspruch beruht die Entscheidung auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174729

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