Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugunstenverfahren. erneute Sachprüfung. Bindungswirkung des Bescheides

 

Orientierungssatz

Das BSG hat durch den Rechtssatz, daß im Rücknahmeverfahren nach § 44 SGB 10 eine erneute Sachprüfung ähnlich wie nach § 580 ZPO erst stattfindet, wenn der gegen einen bindend gewordenen Verwaltungsakt vorgebrachte Einwand seiner Art nach geeignet ist, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes darzutun und wenn dieser Einwand eine tatsächliche Grundlage hat (vgl BSG vom 3.2.1988 - 9/9a RV 18/86 = SozR 1300 § 44 Nr 33 = BSGE 63, 33) nicht ausgeschlossen, daß die Verwaltung von sich aus den Sachverhalt erneut umfassend prüft und damit auch die umfassende gerichtliche Nachprüfung ermöglicht.

 

Normenkette

SGB 10 § 44 Abs 1 S 1; ZPO § 580

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 22.02.1995; Aktenzeichen L 4 Vg 93/94)

SG Kiel (Entscheidung vom 07.07.1994; Aktenzeichen S 11 Vg 242/92)

 

Gründe

Der Beklagte lehnte Ansprüche der Kläger auf Halbwaisenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) mit bindend gewordenen Bescheiden ab. Die verstorbene Mutter der Kläger sei nicht Opfer einer Gewalttat geworden. Auch erneut gestellte Versorgungsanträge hatten keinen Erfolg. Der Beklagte lehnte es nach erneuter Sachprüfung ab, die unanfechtbar gewordenen Bescheide zurückzunehmen. Die Klage blieb erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten verurteilt, Halbwaisenrenten zu gewähren. Die Revision hat es nicht zugelassen.

Mit der dagegen eingelegten Beschwerde rügt der Beklagte, das LSG sei von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen. Aus dem Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - (BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 33) ergebe sich folgender Rechtssatz: Im Rücknahmeverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) findet eine erneute Sachprüfung ähnlich wie nach § 580 Zivilprozeßordnung (ZPO) erst statt, wenn der gegen einen bindend gewordenen Verwaltungsakt vorgebrachte Einwand seiner Art nach geeignet ist, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes darzutun und wenn dieser Einwand eine tatsächliche Grundlage hat. Dem Beschwerdevorbringen läßt sich als davon abweichender Rechtssatz des LSG entnehmen, daß auch ohne Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO sachlich neu geprüft werden darf.

Die Beschwerde ist zurückzuweisen, weil der behauptete Zulassungsgrund nicht vorliegt. Der genannte Rechtssatz des BSG (siehe oben) ist nicht entscheidungserheblich. Der Beklagte hat auf den erneuten Versorgungsantrag der Kläger hin von sich aus den Streitstoff in vollem Umfang neu geprüft und seine Ablehnung mit dem Ergebnis dieser Prüfung nicht mit der Bindungswirkung der ablehnenden Bescheide begründet. In dem vom BSG entschiedenen Fall hatte dagegen der Beklagte nur geprüft, ob die Einwände gegen die bindenden Bescheide tatsächlich zutrafen, dies verneint und sich ohne weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung dieser Bescheide berufen. Das BSG hat die Zulässigkeit dieses Verfahrens bestätigt, dabei aber nicht ausgeschlossen, daß die Verwaltung von sich den Sachverhalt erneut umfassend prüft und damit auch die umfassende gerichtliche Nachprüfung ermöglicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658173

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