Entscheidungsstichwort (Thema)

Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht. Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

 

Orientierungssatz

1. Aufgabe des Beschwerdegerichts ist es allein, zu prüfen und zu entscheiden, ob die Gründe, die der Beschwerdeführer einerseits durch Darstellung des Beweisergebnisses zu dieser Auffassung konkret zu bezeichnen hat, das LSG bei Beachtung seiner Amtsermittlungspflicht zu weiterer Aufklärung hätte drängen müssen. Fehlt es an der genauen Angabe dieser Gründe, ist der Verfahrensmangel des Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht nicht hinreichend bezeichnet.

2. Der pauschale Hinweis, Einwände und Ausführungen hätten in der Entscheidung des LSG keinerlei Berücksichtigung gefunden, reicht für die Bezeichnung der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht aus.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3, §§ 103, 62; GG Art 103 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 26.04.1989; Aktenzeichen L 3 U 214/87)

 

Gründe

Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 11. Juni 1975 im Zugunstenverfahren (§ 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch -SGB X-) Verletztenrente zu gewähren, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 28. August 1985 und Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 1986, Urteile des Sozialgerichts Mainz vom 12. Oktober 1987 und des Landessozialgerichts -LSG- Rheinland-Pfalz vom 26. April 1989). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß bei Erlaß des früheren eine Verletztenrente ablehnenden Bescheides der Beklagten alle tatsächlichen und medizinischen Gegebenheiten berücksichtigt worden seien; neuere Anhaltspunkte, die jetzt eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Mit seiner hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, das angegriffene Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Revision ua zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann auf eine Verletzung des § 103 SGG (eine Verletzung dieser Vorschrift rügt offenbar der Kläger) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (s BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 mwN), müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Dazu gehört insbesondere auch die Angabe der Gründe, aus denen sich das LSG von seinem sachlich rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt sehen müssen, den von ihm abgelehnten Beweis zu erheben (vgl BSG SozR Nrn 64 und 72 zu § 162 SGG; BSG SozR 1500 § 160a Nr 34). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, die ihm vorliegenden Akten daraufhin durchzuprüfen, ob, in welchem Punkt und aus welchen Gründen sich das LSG von seinem Standpunkt aus zu weiterer Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen. Aufgabe des Beschwerdegerichts ist es vielmehr allein, zu prüfen und zu entscheiden, ob die Gründe, die der Beschwerdeführer einerseits durch Darstellung des Beweisergebnisses zu dieser Auffassung konkret zu bezeichnen hat, das LSG bei Beachtung seiner Amtsermittlungspflicht zu weiterer Aufklärung hätte drängen müssen (vgl Beschluß des Senats vom 28. Februar 1989 - 2 BU 209/88 -). Fehlt es an der genauen Angabe dieser Gründe, ist der Verfahrensmangel des Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht nicht hinreichend bezeichnet (BSG aaO). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Soweit der Kläger meint, das LSG habe rechtsfehlerhaft seinen Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens von "Dr. S.     " unterlassen, trägt er lediglich vor, die zahlreichen im Rahmen dieses Rechtsstreits vorgelegten Gutachten seien im wesentlichen zu oberflächlich, in sich widersprüchlich und mangelhaft. Dies sei durch andere Gutachten zum Teil ausdrücklich festgestellt (vgl Prof. Dr. H.    ). Auch Dr. G.    habe festgestellt, daß die vorgelegten Gutachten zur Entscheidung des Rechtsstreits untauglich seien. Dieser Vortrag reicht für die Bezeichnung und Begründung des Verfahrensmangels eines übergangenen oder ohne hinreichende Begründung abgelehnten Beweisantrags in keiner Weise aus. Ferner ist hier nicht substantiiert vorgetragen worden, was dieser Arzt, der nach den bindenden Feststellungen des LSG (s § 163 SGG) bereits im Widerspruchsverfahren ein Zusammenhangsgutachten erstellt hat (s S 4 Abs 2 des Urteils), über seine bisherigen Feststellungen hinaus noch hätte bekunden können.

Soweit der Kläger die Beweiswürdigung durch das LSG angreift, ist diese Rüge unzulässig, weil nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann. Dies gilt auch für die Rüge, das LSG habe bei der Tatsachenfeststellung (Beweiswürdigung) sich nicht auf den gesamten Prozeßstoff gestützt, falsche Tatsachen zugrundegelegt und die zu seinen - des Klägers - Gunsten sprechenden Tatsachen und Gutachten unter formelhafter Begründung beiseite geschoben.

Die ferner vom Kläger gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 des Grundgesetzes -GG-) durch das LSG ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet iS des § 160a Abs 2 Satz 2 SGG (s BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet, daß das entscheidende Gericht die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muß (BVerfG, Beschluß vom 3. Juli 1989 - 1 BvR 1516/87 mwN); nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß ein Gericht dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, kann Art 103 Abs 1 GG verletzt sein (BVerfG, Beschluß vom 30. Juli 1985 - 1 BvR 282/85 - mwN auf die ständige Rechtsprechung). Der Kläger hat nicht vorgetragen, inwiefern die angegriffene Entscheidung des LSG diesen Anforderungen nicht gerecht wird. Der pauschale Hinweis, seine Einwände und Ausführungen hätten in der Entscheidung des LSG keinerlei Berücksichtigung gefunden, reicht hierfür nicht aus.

Gegenstand des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht die Frage, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Gerade aber dies macht der Beschwerdeführer im Kern zum Gegenstand seiner Beschwerdebegründung. Daran scheitert die Beschwerde.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648769

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