Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Kosten für einen Tiefgaragenstellplatz

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für eine Garage oder einen (Tiefgaragen-)Stellplatz stellen ausnahmsweise Unterkunftsbedarfe gem § 22 Abs 1 S 1 SGB II dar, wenn die konkret im Streit stehende Wohnung nur zusammen mit der Garage oder dem Stellplatz angemietet oder behalten werden kann ("fehlende Abtrennbarkeit"). Die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit der Untervermietung von Garage oder (Tiefgaragen-)Stellplatz gehört systematisch nicht zur Frage der Abtrennbarkeit in diesem Sinne, sondern zur Frage, ob der Leistungsberechtigte im Sinne des § 22 Abs 1 S 3 SGB II zur Kostensenkung verpflichtet ist. Sind die Gesamtaufwendungen für die Bruttokaltmiete inklusive der nicht abtrennbaren Aufwendungen für eine Garage oder einen (Tiefgaragen-)Stellplatz angemessen, sind diese vom Träger der Grundsicherung nach dem SGB II zu übernehmen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.07.2019 aufgehoben. Der Bescheid vom 11.10.2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22.11.2018 und 24.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2018 wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vom 01.09.2018 bis 28.02.2019 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 35,00 € monatlich zu zahlen.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter dem Gesichtspunkt der Aufwendungen für einen Tiefgaragenstellplatz.

Der 1987 geborene Kläger bewohnt eine mit Mietvertrag vom 27.02.2016 ab 01.03.2016 - vor Beginn des Leistungsbezuges - angemietete Eineinhalbzimmerwohnung in A-Stadt, für die er eine Nettokaltmiete in Höhe von 305,00 € und kalte Betriebskosten in Höhe von 50,00 € zu entrichten hat. Laut Mietvertrag wird zusammen mit der Wohnung ein Tiefgaragenstellplatz (Nr. 69) vermietet, für den ein Betrag von 35,00 € monatlich zu bezahlen ist. Im Erstbescheid zur vorläufigen Bewilligung von Leistungen vom 23.01.2018 für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.06.2018 führte der Beklagte aus, die Kosten in Höhe von 35,00 € für den Stellplatz/Garage könnten nicht anerkannt werden. Auch wenn nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden Hilfebedürftigen als Vermögen nicht zu berücksichtigten sei, blieben die Mietkosten für eine Garage oder einen Stellplatz unberücksichtigt, selbst wenn die Wohnung nur mit Garage oder Stellplatz vermietet werde und der Mieter nicht weitervermieten dürfe oder keinen Mieter finde.

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 07.09.2018 bewilligte der Beklagte ihm mit Bescheid vom 11.10.2018 Leistungen für den Zeitraum vom 01.09.2018 bis 28.02.2019 in Höhe von 800,00 € monatlich. Dabei berücksichtigte er die tatsächlichen Unterkunftskosten, jedoch ohne die Miete für den Stellplatz in Höhe von 35,00 €. Änderungsbescheide vom 22.11.2018 und 24.11.2018 regelten eine vom Kläger mitgeteilte niedrigere Vorauszahlung für Heizung ab 01.12.2018 sowie die Erhöhung des Regelsatzes ab 01.01.2019. Bereits am 08.11.2018 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.10.2018 ein und machte geltend, die Grundmiete betrage inklusive der Miete für den Stellplatz 340,00 € monatlich und nicht, wie vom Beklagten berücksichtigt, 305,00 €. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2018 als unbegründet zurück. Kosten für Stellplätze und Garagen seien keine Unterkunftskosten und blieben auch dann unberücksichtigt, wenn die Wohnung nur mit Stellplatz bzw. Garage vermietet werde und der Mieter diesen nicht weitervermieten dürfe oder keinen Mieter finde.

Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Anmietung des Tiefgaragenstellplatzes sei nicht abtrennbar von der Anmietung der Wohnung. Die Gesamtmiete (Kaltmiete, Nebenkosten und Stellplatzkosten) überschreite die in A-Stadt geltende Mietobergrenze für einen Einpersonenhaushalt in Höhe von 397,00 € nicht. Der Kläger sei vom Beklagten nicht zur Untervermietung des Stellplatzes aufgefordert worden. Im Rahmen des Klageverfahrens hat der Kläger E-Mail-Korrespondenz mit seinem Vermieter vorgelegt. Nach Anfrage des Klägers vom 31.12.2018 hat der Vermieter danach am 02.01.2019 mitgeteilt, dass er nicht mit einer getrennten Kündigung des Stellplatzes, jedoch mit einer Untervermietung unter bestimmten Bedingungen einverstanden sei.

Mit Urteil vom 03.07.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Kosten für Stellplätze und Garagen gehörten grundsätzlich nicht zu den Kosten der Unterkunft. Auch liege kein besonderer Ausnahmefall vor, der eine Kostenübernahme im Einzelfall rechtfertige. Ein solcher setze nach dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 21.09.2018 - L 12 AS 346/19 - voraus, dass die Anmietung des Stellplatze...

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