Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Übernahme der Kosten für Autoreifen. Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses. Notwendigkeit für die berufliche Eingliederung. Streitgegenstand. Einbeziehung eines Bescheids in das Berufungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein strittiger Bescheid während des Berufungsverfahrens durch einen neuen Bescheid aufgehoben und ersetzt, wird der neue Bescheid gemäß § 151 Abs. 2, § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens. Das LSG entscheidet dann auf die Klage gegen diesen Bescheid. Dies hat zur Folge, dass das Vorverfahren und die erste Gerichtsinstanz verloren gehen und das LSG die Berufungssumme nach § 144 Abs. 1 SGG nicht mehr prüft.

 

Normenkette

SGG § 96 Abs. 1, § 144 Abs. 1 S. 1, § 151 Abs. 2; SGB II § 16 Abs. 1 S. 2; SGB III § 45

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München, S 52 AS 1129/11, vom 21. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klage gegen den Bescheid vom 22.12.2011 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte die Kosten für vier Autoreifen im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu übernehmen hat.

Der 1960 geborene Kläger bezieht nach einem Umzug seit November 2010 zusammen mit seiner Ehefrau und der 1995 geborenen Tochter laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Für Unterkunft und Heizung (Mietwohnung) fallen monatlich 652,50 Euro an. Für die Tochter erhält er Kindergeld in gesetzlicher Höhe. Die Ehefrau erzielt seit 01.01.2012 ein Einkommen aus Beschäftigung in Höhe von monatlich 800,- Euro netto.

Er begehrte seitdem mehrmals die Übernahme der Kosten für vier Autoreifen für seinen privaten Pkw vom Beklagten. Am 24.01.2011 (schriftlich am 05.02.2011) beantragte er beim Beklagten die Übernahme der Kosten für Winterreifen. Dazu legte er drei Vergleichsangebote für jeweils vier Winterreifen vor mit Gesamtbeträgen von 274,80 Euro, 308,92 Euro bzw. 238,- Euro.

Am 28.03.2011 beantragte der Kläger per Telefax erneut die Übernahme der Kosten für vier Autoreifen (Ganzjahresreifen). Er benötige diese für ein Vorstellungsgespräch am 04.04.2011.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.04.2011 ab. Die Leistung sei nicht notwendig für die Anbahnung einer Tätigkeit gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2011 in der Sache zurückgewiesen.

Bereits am 26.04.2011 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht und stellte zugleich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Er sei Berufskraftfahrer und brauche dringend ein Kfz, weil in dieser Branche keine festen Arbeitszeiten bestünden. Es sei Willkür, vorsätzliche Arbeitsbehinderung und Diskriminierung gegeben.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.11.2011 hob das Sozialgericht München den Bescheid vom 20.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2011 auf und verpflichtete den Beklagten, über den Antrag des Klägers vom 28.03.2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Beklagte habe dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Es handele sich um eine Leistung aus dem Vermittlungsbudget gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III. Es liege ein Ermessensfehler vor. Die Ablehnung der Leistung begegne hinsichtlich der fehlenden Notwendigkeit keinen Bedenken. Es fehle an der Darlegung des Ermessens. Der Bescheid führe lediglich aus, dass die Anbahnung der Beschäftigungsverhältnisse auch mittels öffentlicher Verkehrsmittel erfolgen könne. Es fehle eine Auseinandersetzung mit dem Einwand des Klägers, dass die in Betracht kommenden Arbeitsorte vom Wohnort aus nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden könnten. Auch habe der Beklagte eine mögliche Überschreitung von Lenk- und Ruhezeiten nicht ausreichend berücksichtigt.

Am 02.12.2011 hat der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt.

Mit Bescheid vom 22.12.2011 hat der Beklagte den bisherigen Bescheid aufgehoben und neu über den Antrag vom 28.03.2011 entschieden. Die Kosten könnten aus dem Vermittlungsbudget nur übernommen werden, wenn dies zur Anbahnung oder für die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung notwendig, das heißt zwingend erforderlich, sei. Dass diese Kosten notwendig seien, ergebe sich jedenfalls nicht zwingend. Vom Wohnort T. aus würden öffentliche Verkehrsmittel bereits vor 6:00 Uhr verkehren. Eine Überschreitung von Lenk- und Ruhezeiten für Berufskraftfahrer sei nicht ersichtlich.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 21. November 2011, S 52 AS 1129/11 sowie den Bescheid vom 22.12.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für vier Ganzjahresreifen zu ...

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