Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenkasse: Leistungen für ärztlich verordneten Rehabilitationssport in Gruppen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Notwendigkeit von Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung ist nicht nur im Hinblick auf die sportliche Betätigung als solche, sondern auch im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale “in Gruppen„ und “unter ärztlicher Betreuung und Überwachung„ zu prüfen.

2. Der rehabilitative Zweck des Gemeinschaftserlebnisses ist besonders bei Sportarten nachvollziehbar, die ihrer Natur nach von mehreren Personen gemeinsam ausgeübt werden, wie z.B. Bewegungsspiele oder Rollstuhl-Basketball. Dies trifft auf Gymnastik nicht zu.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 01.08.2014 aufgehoben.

II. Die Klage gegen den Bescheid vom 20.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2012 wird abgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Leistungen für ärztlich verordneten Rehabilitationssport in Gruppen (Reha-Sport).

Mit ärztlicher Verordnung vom 15.05.2012 begehrte die Klägerin die Kostenübernahme für Reha-Sport in Gestalt von Gymnastik (auch im Wasser). Zur Begründung wurde angeführt, dass die bei der Klägerin vorliegende Diagnose (M47.99 G - Spondylose, nicht näher bezeichnet) zu Funktionsstörungen und Schmerzen durch Gelenkblockierung führe. Ziel des Rehabilitationssports seien Funktionsverbesserung und Schmerzreduktion durch Verringern oder Beseitigen der Gelenkfunktionsstörung.

Im Verwaltungsverfahren wurde von der Beklagten der verordnende Arzt Dr. med. G. M. mit einem Fragebogen zur Klärung eines weiteren Bedarfs von Rehabilitationssport zur Stellungnahme beteiligt. Auf die Frage, ob die Verlängerung des Reha-Sports unter fachkundiger Anleitung und Überwachung in der Gruppe medizinisch notwendig sei, wurde "nein" angekreuzt.

Außerdem wurde von der Beklagten der MDK beteiligt, der am 15.06.2012 eine negative Stellungnahme abgab.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.06.2012 den Antrag auf Kostenübernahme ab. Nach der Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen gingen aus der ärztlichen Verordnung keine Gründe für eine nochmalige Kostenübernahme hervor. Die Übungen könnten selbstständig und in Eigenverantwortung durchgeführt werden.

Mit Schreiben vom 13.07.2012 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 20.06.2012 Widerspruch ein. Nach dem Urteil des BSG vom 02.11.2010 (B 1 KR 8/10 R) komme es auf die Möglichkeiten der Eigenbeübung nicht an. Im Übrigen könne die Klägerin die Übungen noch nicht selbstständig durchführen. Ergänzend führte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.07.2012 aus, der MDK gehe in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass die medizinische Notwendigkeit gegeben sei. Er schließe diese lediglich mit rechtlichen Erwägungen, gestützt auf die Rahmenvereinbarung, aus. Die Rahmenvereinbarung sei jedoch rechtlich unwirksam, soweit sie den Anspruch auf Rehabilitationssport einschränke. Auch auf die Frage der eventuell möglichen Eigenübung komme es im Rahmen des Rehabilitationssports im Unterschied zum Funktionstraining nicht an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beklagte folge den Ausführungen des MDK. Eine medizinische Notwendigkeit für die weitere Kostenübernahme von Reha-Sport sei nicht gegeben, die Klägerin sei durch die bisherige Teilnahme in die Lage versetzt worden, erlernte Übungen eigenverantwortlich durchzuführen. Auf den in § 1 SGB V normierten Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der Versicherten dürfe in diesem Zusammenhang besonders hingewiesen werden. Selbst der verordnende Arzt halte die Verlängerung des Reha-Sports in der Gruppe unter fachkundiger Anleitung/Überwachung nicht für medizinisch notwendig. Das in der Widerspruchsbegründung zitierte Urteil des BSG vom 02.11.2010 (B 1 KR 8/10 R) könne in diesem Fall keine Anwendung finden. Das BSG habe bei diesem Urteil in dem konkreten Fall die soziale Komponente des Gruppensports in den Vordergrund gestellt. Das Gemeinschaftserlebnis werde hier als rehabilitativ bezeichnet und es würden die besonderen Rechte behinderter Menschen in den Fokus gerückt. Das Urteil sei nicht geeignet, unkritisch auf sämtliche Verordnungen von Reha-Sport übertragen zu werden. Vielmehr habe daraus zu folgen, dass die medizinische Notwendigkeit jeweils im Einzelfall festzustellen sei. Diese sei wesentliche Voraussetzung für Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gegen den Bescheid vom 20.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2012 hat die Klägerin am 22.08.2012 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. Sie hat ein Attest des Orthopäden Dr. M. vom 12.08.2012 vorgelegt, in dem es heißt, bei der Klägerin beständen seit längerem Beschwerden an allen Muskeln des Körpers. Es lägen klinisch deutliche Zeichen der generalisierten fibromyalgischen Muskel-Ansatztendin...

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