Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Beitragsnachforderung. Äquivalenzverhältnis. Doppelversorgung in der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht. Frist

 

Leitsatz (redaktionell)

Die rückwirkende Feststellung von Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Nachforderung von Pflichtbeiträgen ist rechtlich zulässig. Dies gilt selbst dann, wenn der betroffene Arbeitnehmer im streitigen Zeitraum bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert war.

 

Normenkette

SGB IV § 28e Abs. 1 S. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 9, § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6, § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; SGB XI § 20 Abs. 1 Nr. 1; VVG § 178h Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 1; BGB § 242

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. März 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 15.553,14 Euro festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für den Kläger in der Zeit vom 1. August 2003 bis zum 31. Dezember 2005.

Der Beigeladene zu 1) war seit dem 1. Oktober 2001 bis zum 31. Dezember 2005 bei der Klägerin als Diplom-Ingenieur (FH) Versorgungstechnik angestellt. Der Kläger und der Beigeladene zu 1) hatten mit Datum vom 12. September 2001 einen Anstellungsvertrag geschlossen. Als Vergütung wurde ein monatliches Bruttogehalt von 6.300 DM vereinbart. Der Beigeladene zu 1) war zur gesetzlichen Sozialversicherung gemeldet worden. In den hier streitgegenständlichen Jahren 2003 bis 2005 erhielt der Beigeladene zu 1) einen Bruttoverdienst von jeweils 40.078,56 Euro im Jahr. Die Jahresarbeitsentgeltgrenzen in der gesetzlichen Krankenversicherung waren in der Vergangenheit im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wie folgt bestimmt:

Allgemeine Grenze (§ 6 Abs. 6 SGB V)

 Besondere Grenze (§ 6 Abs. 7 SGB V)

   ab 2003

monatlich

jährlich

 Anhebung

 jährlich

 Anhebung

2000   

3.297,83 €

 39.574 €

 - - -

2001   

3.336,17 €

40.034 €

1,2 % 

 - -   

2002   

3.375,00 €

40.500 €

 1,2 %

 - -   

2003   

3.825,00 €

45.900 €

13,3 %

 41.400 €

 2,2 %

2004   

3.862,50 €

46.350 €

1,0 % 

 41.850 €

1,1 % 

2005   

3.900,00 €

46.800 €

 1,0 %

 42.300 €

 1,1 %

2006   

 3.937,50 €

47.250 €

1,0 % 

 42.750 €

1.1 % 

Nach einer Betriebsprüfung über den Prüfzeitraum 1. August 2003 bis 31. Dezember 2006 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 2007 von dem Kläger 15.553,14 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung nach. Zur Begründung führte die Beklagte aus, für den Beigeladenen zu 1) seien keine Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt worden, obwohl dieser ein Entgelt unterhalb der "Beitragsbemessungsgrenze" bezogen habe. Der Kläger legte Widerspruch ein und trug vor, zum Zeitpunkt der Einstellung des Beigeladenen zu 1) im Jahr 2001 sowie im Folgejahr habe das Gehalt über der "Beitragsbemessungsgrenze" zur gesetzlichen Krankenversicherung gelegen. Die Beklagte habe auf die Meldungen des Bruttoarbeitsentgelts nicht früher reagiert. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde von der Beklagten abgelehnt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Beklagte verwies auf die Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Januar 2003. Die Vergütung des Beigeladenen zu 1) habe die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten, so dass keine Versicherungsfreiheit mehr bestanden habe. Ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 SGB V sei nicht gestellt worden. Das Bestehen einer privaten Krankenversicherung sei unerheblich. Die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung sei kraft Gesetzes und unabhängig vom Willen des Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eingetreten.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben zum Sozialgericht München. Der Kläger hat eine unzureichende Kontrolle seiner Meldungen durch die Beigeladene zu 2) als der zuständigen Einzugsstelle gerügt. Zudem hat der Kläger es als "nicht nachvollziehbar" bezeichnet, dass Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nachbezahlt werden sollen, obwohl für denselben Zeitraum Beiträge an eine private Krankenversicherung geleistet worden seien. Die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten sei aufgrund von unterbliebenen Leistungen auch nie belastet worden. Zudem hat sich der Kläger gegen die Beschränkung der rückwirkenden Befreiungsmöglichkeit auf einen Zeitraum von drei Monaten gewandt. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 19. März 2009 den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezembe...

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