Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage. Teiländerung des Bewilligungsbescheids im Zugunstenverfahren. Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB 2. Anforderungen an die Leistungen bzw Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Teilnahme an einer Maßnahme der Beschäftigungsinitiative Süd für über 50-Jährige. BINS50plus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird auf einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB 10 der ursprüngliche Bescheid teilweise zu Gunsten des Antragstellers geändert, ist für die weitere Änderung des ursprünglichen Bescheids eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage statthaft.

2. Einen Anspruch auf Leistungen für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB 2 lösen nur bestimmte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aus.

3. Eine Leistung nach § 33 SGB 9 liegt nur vor, wenn die Maßnahme final auf den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile ausgerichtet ist. Für einen Mehrbedarf muss es sich um eine regelförmige Maßnahme handeln, die eine regelmäßige und zeitlich nicht unerhebliche Beanspruchung des Teilnehmers bezüglich der Teilnahme am Arbeitsleben sicherstellt.

4. Sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben iS von § 21 Abs 4 SGB 2 müssen ebenfalls auf die Teilhabe am Arbeitsleben bezogen, final auf den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile ausgerichtet und regelförmig im vorgenannten Sinn sein.

5. Eine Maßnahme die im Wesentlichen aus einer nicht berufsbezogenen Auswahl und Teilnahme an Kursen der Volkshochschule besteht, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB 2.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.08.2015; Aktenzeichen B 4 AS 9/15 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt nach einem Antrag auf Überprüfung der vorhandenen Bewilligungsbescheide für die Zeit von 14.02.2012 bis 31.12.2013 höheres Arbeitslosengeld II (Alg II), insbesondere begehrt er die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für behinderte Menschen in einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 21 Abs. 4 SGB II.

Der 1954 geborene Kläger hat die Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina. Nach einem amtsärztlichen Gutachten vom Sommer 2009 kann der Kläger täglich drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten. Der alleinstehende Kläger bezog ab 01.01.2005 Alg II vom Beklagten. Er war mit Unterbrechungen von 1981 bis 2002 in Deutschland beschäftigt und er verfügt über eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 Aufenthaltsgesetz, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt.

Von Oktober 2005 bis Ende 2006 war der Kläger als Ofen-/Kaminbauer erwerbstätig. Danach war der Kläger eine Zeit lang im Ausland, anschließend bezog er bis Mitte 2009 Arbeitslosengeld nach SGB III. Danach erhielt er vom Beklagten wieder Alg II.

Der Kläger bewohnte im strittigen Zeitraum eine Wohnung für monatlich 332,54 €, deren Kosten komplett als Bedarf anerkannt wurden. Warmwasser wurde dezentral bereitet. Leistungen für die Unterkunft sind nach ausdrücklicher Erklärung des Klägers im Klageverfahren S 11 AS 1219/13 nicht Streitgegenstand.

In der Zeit von 01.01.2012 bis 30.06.2012 erhielt der Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 01.12.2011 Alg II von monatlich 706,54 €, in der Zeit von 01.07.2012 bis 31.12.2012 mit Bewilligungsbescheid vom 24.05.2012 monatlich 706,54 €, in der Zeit von 01.01.2013 bis 30.06.2013 mit Bescheid vom 22.11.2012 monatlich 706,54 €, erhöht mit Änderungsbescheid vom 24.11.2012 auf monatlich 714,54 € und in der Zeit von 01.07.2013 bis 31.12.2013 mit Bescheid vom 29.05.2013 ebenfalls monatlich 714,54 €.

Der Kläger nahm bereits seit September 2009 an dem Projekt BINS50plus (Beschäftigungsinitiative Süd für über 50-Jährige) teil. Er verpflichtete sich hierzu durch mehrere Eingliederungsvereinbarungen. Diese Maßnahme fand auch ab 14.02.2012 bis 13.02.2014 statt. Dies wurde in den Eingliederungsvereinbarungen vom 08.02.2012, 24.04.2013 und 23.10.2013 für jeweils sechs Monate vereinbart. Für die Zeit von September 2012 bis April 2013 ist eine Eingliederungsvereinbarung nicht feststellbar. Die Eingliederungsvereinbarungen enthalten jeweils eine Aufzählung aller Teilprojekte und der Projektpartner. Der Kläger verpflichtete sich zur Teilnahme "je nach Eignung". Inhalt des vom Kläger gewählten Teilprojektes "Kurs finden 50plus" war der Besuch von drei verschiedenen Kursen pro Semester an der Volkshochschule (VHS). Ein Kurs solle berufsorientierenden Inhalt haben, ein Kurs gesundheitsorientierenden Inhalt und der dritte Kurs sei frei wählbar. Hinzu komme ein "Einzelcoaching" von der VHS mit Einzelterminen. Fahrkosten wurden erstattet.

Die Beklagtenakte enthält ein Faltblatt zur Beschreibung der Maßnahme. Danach enthält die Maßnahme ein dreitägiges "Profilpass-Gruppenseminar"...

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