Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsanspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers gegen den zuständigen Leistungsträger. Sozialhilfe. Hilfen in einer ambulanten Hospizgemeinschaft. sachliche Zuständigkeit. bayerisches Landesrecht. stationäre Einrichtung. betreutes Wohnen iS des Art 82 Abs 2 SGAG BY. örtliche Zuständigkeit. ambulant betreutes Wohnen iS des § 98 Abs 5 SGB 12. Ausschluss des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs 4 S 3 SGB 9. Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung. Erstangegangener Träger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der der Entscheidung zu Grunde liegenden ambulanten Hospizgemeinschaft handelt es sich um keine stationäre Einrichtung mit der Folge einer Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers nach Art 82 Abs 1 Nr 2 BayAGSG (juris: SGAG BY).

2. Der Begriff des betreuten Wohnens nach Art 82 Abs 2 BayAGSG ist anders auszulegen, als der Begriff der ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten in § 98 Abs 5 SGB XII (Fortführung der Entscheidung des Senats vom 21.1.2016 - L 8 SO 235/14 = ZFSH/SGB 2016, 193).

3. Zu den Voraussetzungen eines Kompetenzkonflikts, der nach § 14 Abs 4 S 3 SGB IX einen Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X nicht ausschließt.

4. Zu den Voraussetzungen, unter denen nach Art 82 Abs 2 BayAGSG Eingliederungshilfe an Behinderte durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird und eine Gesamtfallzuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers begründet.

 

Normenkette

SGB XII § 97 Abs. 1-2, 3 Nr. 1, § 98 Abs. 5, § 75 Abs. 3, § 13 Abs. 1; SGB IX § 6 Abs. 1 Nr. 7, § 14 Abs. 1, 4 Sätze 1, 3; SGB X § 102 Abs. 1, § 111; SGB I § 43; SGG § 75 Abs. 2

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Juli 2014, S 51 SO 617/11, wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Sozialhilfeleistungen in Höhe von 32.750,18 € streitig, die der Kläger für den Leistungsberechtigten B. (Lb) in der Zeit von 17.06.2010 bis 13.03.2011 aufgewandt hat.

Der 1949 geborene, amerikanische Staatsangehörige Lb litt ab 2006 an einer atypischen Parkinson-Erkrankung mit kortikobasaler Degenration. Seit November 2009 bestand für ihn eine umfassende gesetzliche Betreuung. Bis Mai 2010 wohnte er in einer eigenen Wohnung im Stadtgebiet der Beklagten. Nach einem Sturz musste er zunächst stationär in einem Krankenhaus in A-Stadt behandelt werden; unmittelbar anschließend an den Krankenhausaufenthalt wurde er am 15.06.2010 zunächst vorläufig bis 13.07.2010 in die A. in A-Stadt aufgenommen. An diesem Tag meldete er sich in der Gemeinde A-Stadt im Landkreis M. an.

Bei der D. e.V. werden die Bewohner durch externe Ärzte und ambulante Pflegedienste palliativ-medizinisch und pflegerisch versorgt und palliativ spirituell begleitet. Nach dem Mietvertrag vom 15.06.2010 handelt es sich um ein Pilotprojekt im Rahmen des betreuten Wohnens und nicht um ein Heim i.S. des Heimgesetzes. Die monatliche Miete für das vom Lb genutzte Zimmer betrug 431,04 € zuzüglich einer Betriebskostenpauschale von 349,63 € (gesamt 780,67 €). Nach Ziffer 11 des Mietvertrages war dieser nur gültig im Zusammenhang mit einem Betreuungsvertrag. Auch diesen schloss die Betreuerin am 15.06.2010 für den Lb, wobei der Vertrag aus den drei Bestandteilen Betreuungsvertrag für betreutes Wohnen (= Bestandteil des Mietvertrages, Pauschale 156,13 €), Betreuungsvertrag (330 € monatlich) und Wahlleistungen (bei Inanspruchnahme, z.B. Essen, Wäsche waschen etc.) bestand. Nach dem Betreuungsvertrag hatte jeder Bewohner das Recht, seine Betreuung nach freier Wahl zu gestalten, es bestand keinerlei Verpflichtung des Bewohners, Dienstleistungen vom Betreuungsträger abzurufen.

Die zuständige Krankenkasse (Barmer EK) gewährte dem LB ambulante Pflegeleistungen nach der Pflegestufe III in Höhe von 1.510 € monatlich und teilte der Betreuerin mit, dass keine Verträge für die Hospizbehandlung bestünden. Ausweislich eines MDK Gutachtens vom 28.09.2010 bestand beim Lb eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz bei Pflegestufe III, allerdings keine Erforderlichkeit einer stationären Pflege.

Die gesetzliche Betreuerin des Lb beantragte am 17.06.2010 beim Kläger (Bezirk Oberbayern) Leistungen der Sozialhilfe (Grundsicherung und Pflege) für ihren Betreuten. Mit Schreiben vom 24.06.2010 teilte der Kläger der Betreuerin mit, dass die Kosten nicht übernommen werden könnten und der Lb sich an die Beklagte wenden solle. Es bestehe keine Pflegesatzvereinbarung zwischen dem Bezirk und dem Haus D.. Eine Weiterleitung des Antrages an einen anderen Sozialhilfeträger nach § 14 SGB IX oder § 16 Abs. 2 SGB I erfolgte nicht.

Die Betreuerin beantragte daraufhin am 25.06.2010 bei der Beklagten (LHM) Leistungen der Grundsicherung und Pflege und mit einem weiteren Antrag vom 13.08.2010 Hilfe zum Lebensunterhalt und Leistungen nach den 5. - 9. Kapiteln. Die Beklag...

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