Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen voller Erwerbsminderung. Fehlzeiten wegen Kopfschmerzen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die vom BSG zur Teilzeit entwickelten Kriterien sind nicht auf Versicherte anwendbar, die noch vollschichtig tätig sein können; in diesen Fällen ist eine volle Erwerbsminderung vielmehr grundsätzlich zu verneinen.

2. Voraussichtliche Fehlzeiten von etwa fünf bis sechs Arbeitstagen im Monat führen nicht zur Annahme des Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung. Die Mindestanforderungen der während eines Arbeitsjahres zu erbringenden Arbeitsleistungen sind erst dann nicht mehr gewahrt, wenn für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen jährlich die Arbeitsleistung auf weniger als die Hälfte der Arbeitstage eingeschränkt ist.

 

Normenkette

SGB VI § 43

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.10.2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.10.2003 hinaus.

Der 1962 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben den Beruf eines Bauschlossers erlernt, sei zum Feinmechaniker umgeschult worden, habe aber bis 1997 nur Hilfsarbeiten angenommen, zuletzt als Rotationshelfer.

Mit Bescheid vom 25.01.2002 bewilligte ihm die Beklagte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.05.2002 bis 31.10.2003. Der ärztliche Dienst der Beklagten war zu der Beurteilung gelangt, der Kläger sei nur halb- bis untervollschichtig einsetzbar. Der Kläger klagte über ständige Schmerzen in den Armen, Einschlafen der Arme, erhebliche Kopfschmerzen, Schwierigkeiten beim Aufstehen, erhebliche Schlafstörungen und immer wieder auftretende Appetitstörungen.

Aufgrund des Weitergewährungsantrags ließ die Beklagte den Kläger chirurgisch, internistisch, psychiatrisch und neurologisch untersuchen und begutachten. Zusammenfassend gelangte der ärztliche Dienst der Beklagten zu dem Ergebnis, der Kläger sei wieder für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig einsetzbar. Angemerkt wurde auch, dass die kräftige Hohlhandbeschwielung beidseits und die deutlichen Gebrauchsspuren an beiden Händen durchaus auf eine regelmäßige körperliche Arbeit schließen ließen. Retrospektiv betrachtet sei die Rentengewährung nach der Begutachtung von 2002 nicht ganz nachvollziehbar. Mit Bescheid vom 20.10.2003 und Widerspruchsbescheid vom 15.01.2004 lehnte die Beklagte die Weitergewährung der Rente ab.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Bayreuth (SG) nach Beinahme verschiedener ärztlicher Unterlagen und Befundberichte den Neurologen und Psychiater Dr. K. gehört, der im Gutachten vom 08.12.2004/15.03.2005 als Gesundheitsstörungen eine Persönlichkeitsstörung mit asthenisch dependenten Wesenszügen, Dysthymia, Somatisierungsstörung, Kopfschmerzsyndrom und Wirbelsäulensyndrom mit degenerativen Veränderungen vor allem im Bereich der BWS feststellte. Die Angaben des Kläger zur Kopfschmerzsymptomatik (monatlich zweimal zwei bis fünf Tage) seien glaubhaft. Ansonsten seien aus nervenärztlicher Sicht leichte Tätigkeiten vollschichtig zumutbar. Zur Annahme von monatlich mehreren Tagen Arbeitsunfähigkeit infolge der Migräne ist auch der vom SG weiter gehörte Sachverständige Dr. M. im Gutachten vom 19.09.2006 gelangt.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 11.10.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Mit den ärztlichen Sachverständigen sei zwar an mehreren Tagen im Monat Arbeitsunfähigkeit infolge des schubweise verlaufenden Kopfschmerzsyndroms anzunehmen. Dadurch sei aber noch keine Erwerbsunfähigkeit bedingt. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei Anfallsleiden zu differenzieren. Ein schweres Anfallsleiden könne nämlich unübliche Arbeitsbedingungen erfordern, die bereits von dem "Katalog seltener Tätigkeiten" erfasst würden. Es blieben noch Fälle, in denen es hauptsächlich um subjektive Vorbehalte seitens der Arbeitgeber (und der Belegschaften) gehe. Das SG hat aber offen gelassen, ob der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, eine Berufstätigkeit auszuüben. Denn einer Rentengewährung stehe der Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" entgegen. Die ärztlichen Sachverständigen hätten nämlich darauf hingewiesen, dass der Kläger eine sinnvolle Therapie bisher noch nicht einmal versucht hat. Eine Besserung sei aber aus medizinischer Sicht wahrscheinlich. Die therapeutischen Möglichkeiten seien in keiner Weise ausgereizt. Die Tatsache, dass der Kläger sich nicht zur Durchführung von Therapiemaßnahmen entscheiden könne, sei schließlich kein Grund, ihm eine Erwerbsminderungsrente zu gewähren.

Seine dagegen eingelegte Berufung hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, er sei im Gegensatz zu den gehörten Sachverständigen der Auffassung, dass bei ihm auch kein vollschichtiges Leistungsvermögen nur für leichte Tätigkeiten bestehe. Seine im Vordergrund stehende Migräneerkrankung...

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