Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Verwertung einer Immobilie

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verwertung einer selbstgenutzten Eigentumswohnung.

 

Orientierungssatz

1. Allein durch den Umstand, dass eine Eigentumswohnung selbst genutzt wird, ist eine Berücksichtigung als verwertbares Vermögen nicht gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II ausgeschlossen, wenn die Wohnung mit 98 qm für einen Ein- Personen- Haushalt unangemessen groß ist.

2. Im Rahmen der Ermittlung des Verkehrswertes sind Schulden und sonstige vorhandene oder noch entstehende Belastungen nur zu berücksichtigen, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise mit dem Vermögensgegenstand des Arbeitslosen eine Einheit bilden (vgl. BSG, 9. Februar 2006, B 7a AL 36/05 R), denn in diesem Fall könnte er ohne Abzüge nicht veräußert werden (vgl. BSG, 15. April 2008, B 14 AS 27/07 R).

3. Die Verwertbarkeit von Vermögen iS des § 12 Abs. 1 SGB II kann nur dann angenommen werden, wenn der Berechtigte in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln - autonom - herbeizuführen. Ist dagegen völlig ungewiss, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, so liegt bereits eine generelle Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs. 1 SGB II vor (vgl. BSG, 27. Januar 2009, B 14 AS 42/07 R, BSG, 6. Dezember 2007, B 14/7b AS 46/06 R).

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.07.2015 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte wird verurteilt, über den Antrag des Klägers vom 04.05.2012 auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2012 bis 31.10.2012 als Darlehen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu entscheiden.

III. Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt für den Zeitraum vom 01.05.2012 bis 31.10.2012 die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), hilfsweise eine Entscheidung des Beklagten, diese Leistungen als Darlehen zu erbringen.

Der 1957 geborene Kläger bezog seit dem Jahr 2005 mit einer kurzen Unterbrechung Alg II. Bereits zu Beginn des Leistungsbezuges bewohnte er eine selbstgenutzte Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 98 qm, die er mit notariellem Kaufvertrag vom 24.09.1998 erworben hatte. In seinem erstmaligen Antrag auf Bewilligung von Leistungen hatte er angegeben, zur Finanzierung der Wohnung habe er bei der A.- Lebensversicherung AG ein Darlehen über 100.000,00 DM aufgenommen, über die eine Briefgrundschuld erstellt sei. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Zinszahlungen (235,20 € monatlich) berücksichtigte der Beklagte in der Folgezeit als Bedarfe der Unterkunft bei der Bewilligung von Alg II.

Zu Beginn des Jahres 2012 wurde zwischen den Beteiligten streitig, ob die Beziehung des Klägers zu Frau R. H. (H.) - nach seinen Angaben einer Bekannten - als Bedarfsgemeinschaft zu qualifizieren sei. Ein in diesem Zusammenhang ergangener Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.05.2012 (idG des Widerspruchsbescheides 03.07.2012) wurde durch das Sozialgericht Bayreuth (SG) aufgehoben (Urteil vom 28.05.2014). Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Senates vom 26.11.2014 - L 11 AS 589/14).

Mit Schreiben vom 06.03.2012 wies der Beklagte den Kläger erstmals darauf hin, dass die von ihm bewohnte Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 98 qm unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) unangemessen groß und daher grundsätzlich zu verwerten sei. Nach der Kaufpreissammlung des Landratsamtes B-Stadt seien für vergleichbare Wohnungen bislang Verkaufserlöse von mindestens 93.000,00 € erzielbar gewesen. Diesen Wert für die Wohnung des Klägers zugrunde gelegt verbleibe nach Abzug der bekannten Verbindlichkeiten in Höhe von 51.000,00 € ein anrechenbares Vermögen in Höhe von mindestens 42.000,00 €. Um den genauen Wert der Immobilie zu ermitteln, sei eine Besichtigung der Wohnung durch den Gutachterausschuss des Landratsamtes B-Stadt zum Zwecke der Verkehrswertbestimmung erforderlich. Bis 20.03.2012 werde um Mittelung gebeten, ob Bereitschaft bestehe, die Wohnung besichtigen zu lassen. Nach mehreren Anträgen zur Verlängerung der Erklärungsfristbeauftragte der Beklagte den Gutachterausschuss am 17.04.2012 mit einer Wertermittlung zum Stichtag 01.05.2012. Mit Schreiben vom 25.04.2012 forderte der Gutachterausschuss den Kläger zur Vorlage von Unterlagen über die Eigentumswohnung auf.

Bereits am 02.04.2012 (Eingang des Formblattantrages beim Beklagten am 19.04.2012) beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen für die Zeit ab 01.05.2012. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20.04.2012 ab. Der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen in Gestalt der selbstgenutzten aber unangemessenen Eigentumswohnung. Der Wert der Wohnung ...

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