Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungspflicht. selbständiger Fitnesstrainer/Aerobictrainer. Lehrer. Verfassungsmäßigkeit der Auslegung des Lehrerbegriffs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Überschreitung der Fünfmonatsfrist zwischen Urteilsverkündung und Übergabe an die Geschäftsstelle.

2. Ein selbstständiger Aerobicinstruktor bzw Fitnesstrainer unterliegt grundsätzlich als Lehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der übernommenen Kursangebote vorzunehmen.

 

Orientierungssatz

Die weite Auslegung des Lehrerbegriffs begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstößt sie weder gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG noch gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art 2 Abs 1 GG (vgl ua BSG vom 27.09.2007 - B 12 R 12/06 R und vom 12.10.2000 - B 12 RA 2/99 R = SozR 3-2600 § 2 Nr 5).

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 3. Dezember 2008 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 20. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als "Aerobic-Instructor" der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

Der 1972 geborene Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger. Er hatte am 17. August 2001 einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige mit einem Auftraggeber gestellt. Als seit 1. Juni 2000 nebenberuflich ausgeübte Tätigkeit hatte er "Aerobic-Instructor" angegeben. Hierfür hatte er nach eigenen Angaben einen Grundausbildungskurs sowie Weiterbildungen und Workshops absolviert. Er instruiere Bewegungsabläufe in Step- und Cardioaerobic, in Tai Bo und Bodyworkouts, Push & Pull, Spinning, Wirbelsäulengymnastik und Boxout. Diese Tätigkeit übe er regelmäßig weniger als 15 Stunden wöchentlich aus. Das Arbeitseinkommen übersteige regelmäßig 630.- DM im Monat. Er beschäftige keinen Arbeitnehmer. Auch sei er nicht nur für einen Arbeitgeber tätig. Ferner würden ihm hinsichtlich der Ausführung (Art und Weise) seiner Tätigkeit keine Weisungen erteilt. Die Verträge seien branchenüblich mündlich abgeschlossen.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2001 hatte die Beklagte den Antrag auf Befreiung abgelehnt. Der Kläger gehöre als Trainer zu einer Berufsgruppe, die von der Vorschrift des § 2 S. 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) erfasst werde. Über die Versicherungspflicht aufgrund der selbstständigen Tätigkeit erhalte er einen gesonderten Bescheid. Den Widerspruch hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2002 zurückgewiesen.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (Az.: S 12 RA 291/02) hatte der Kläger weiterhin die Ansicht vertreten, dass keine Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI bestehe. Die Tätigkeit als Aerobic-Instructor und als Fitnesstrainer in einem Fitnessstudio sei keine Lehrtätigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Er vermittle kein Wissen, sondern sei lediglich eine Art Vorturner, d.h. er mache die Übungen vor und animiere andere dazu, dies möglichst identisch nachzuahmen. Die Fitnesscenterbesucher kämen nicht, um sich neues Wissen anzueignen, sondern um ihr Wohlbefinden zu steigern. Es gehe auch nicht um das Erlernen einer Sportart.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2004 hatten die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Darin erklärte sich die Beklagte bereit, aufgrund der vorgelegten und eventuell noch vorzulegenden Unterlagen zu überprüfen, ob es sich bei der von dem Kläger ausgeübten Tätigkeit um eine geringfügige Tätigkeit handelt, und hierüber mit rechtsbehelfsfähigem Bescheid zu entscheiden.

Der Kläger legte eine Zusammenstellung seiner Einnahmen für die Jahre 2000 bis 2004 sowie die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2004 vor. Mit Bescheid vom 20. Juli 2005 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 1. Juni 2000 nach § 2 S. 1 Nrn. 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig sei. Sie listete die Beitragshöhe ab 1. Januar 2001 auf und forderte ausstehende Beiträge in Höhe von 3.903,27 EUR nach. Mit weiterem Bescheid vom 20. Juli 2005 stellte sie fest, dass in der Zeit vom 1. Juni 2000 bis 31. Dezember 2000 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI bestanden habe, weil nur eine geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Ab 1. Januar 2001 bestehe jedoch wieder Versicherungspflicht, ab 1. Januar 2004 hingegen wieder Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI, weil nur eine geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2005 zurück. Die Tätigkeit als Aerobic-Instructor unterliege kraft Gesetzes nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI der Versicherungspflicht.

Auch hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht ...

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