Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsschutzbedürfnis. Sozialhilfe. Eingliederungshilfe in stationärer Einrichtung. Vergütungsvereinbarung. keine Herleitung von individuellen Ansprüchen. Bedarfsdeckungs- und Individualisierungsprinzip

 

Orientierungssatz

1. Für die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage genügt, wenn der Kläger behaupten kann, dass die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsaktes rechtwidrig gewesen sei, § 54 Abs 1 S 2 SGG. Lediglich wenn gänzlich auszuschließen ist, dass ein Rechtsanspruch besteht, kann eine Klage als unzulässig - mangels Rechtsschutzbedürfnisses - angesehen werden. Ergibt die Sachprüfung im Rahmen des Prozesses, dass das behauptete Recht nicht besteht, ist eine Klage unbegründet.

2. Wurden zwischen Einrichtungsträger und Sozialhilfeträger zur Bewertung des Betreuungs- und Pflegebedarfs der Heimbewohner gem § 76 Abs 1 SGB 2 solche Vergütungsvereinbarungen getroffen, in denen Leistungstypen und Hilfsbedarfsgruppen festgelegt worden sind, um den Gesamtpflegeaufwand in der betreuenden Einrichtung quantifizieren zu können (Festlegung der wesentlichen Leistungsmerkmale), so sind Gegenstand der Vergütungsvereinbarungen nicht die Bedarfslagen einzelner Personen, sondern die von der Einrichtung zur Erfüllung der sozialhilferechtlichen Hilfeansprüche zu erbringenden Dienst- und Sachleistungen. Der Hilfebedürftige kann deshalb keine individuellen Rechte aus der Definition der Hilfsbedarfsgruppen und seiner Einstufung in eine bestimmte Gruppe herleiten, da Inhalt und Beschränkungen der Vergütungsvereinbarung zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Einrichtungsträger den Anspruch des Betroffenen auf Eingliederungshilfe, die den sozialhilferechtlich anzuerkennenden Hilfebedarf deckt, grundsätzlich nicht berühren können (vgl BVerwG vom 26.10.2004 - 5 B 50/04).

3. Diese Typisierung des Hilfsbedarfes führt jedoch nicht zur Lösung von dem im Sozialhilferecht geltenden Individualisierungs- und Bedarfsdeckungsgrundsatz, denn sofern sich der Träger der Sozialhilfe - wie hier - zur Erfüllung seiner Hilfeverpflichtung einer stationären Einrichtung (§ 13 Abs 1 SGB 12) bedient, umfasst der Hilfeanspruch im Rahmen des so genannten "sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses" auch die Übernahme des Entgelts, das dem Hilfebedürftigen durch die Inanspruchnahme der Dienste der Einrichtung in Rechnung gestellt wird (vgl BVerwG, aaO).

4. Wird der Antrag eines hilfebedürftigen Heimbewohners auf Umgruppierung in eine höhere Hilfsbedarfsgruppe wegen gestiegenen Hilfsbedarfs vom Sozialhilfeträger abgelehnt und fordert der Heimträger den hilfebedürftigen Heimbewohner auf, gegen diesen Ablehnungsbescheid Widerspruch einzulegen, da ansonsten im schlechtesten Fall der Differenzbetrag zwischen den verschiedenen Hilfsbedarfsgruppen dem Hilfebedürftigen in Rechnung gestellt würde, so genügt diese Aufforderung allein nicht, um von einer Änderung des Heimvertrages und einer Verpflichtung des Hilfebedürftigen zur Zahlung des Differenzbetrages auszugehen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.02.2010; Aktenzeichen B 8 SO 20/08 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 29.05.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte übernimmt die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Einstufung des Klägers in eine Hilfsbedarfsgruppe im Rahmen einer nach § 76 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bestehenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarung.

Der Kläger leidet an einer geistigen Behinderung (Debilität; Störung der Motorik). Für den Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge ist eine Betreuung errichtet.

Der Kläger ist seit 1983 stationär im Wohnheim der L. Wohnstätten gGmbH M. in K. (L.) untergebracht. Die Kosten der Unterbringung trägt der Beklagte.

Seit 01.09.2001 erfolgt die Abrechnung des Wohnheim-Pflegesatzes zwischen dem Träger des Wohnheimes und dem Beklagten auf der Grundlage einer Vereinbarung nach § 93ff Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die in diesem Zusammenhang geschlossenen Vergütungsvereinbarungen sehen hierbei eine nach Hilfsbedarf des Behinderten gestufte Vergütung entsprechend sogenannter Hilfsbedarfsgruppen vor.

Die Einstufung der Behinderten in fünf verschiedene Hilfsbedarfsgruppen erfolgt nach dem so genannten Metzler-Verfahren (H.M.B.-W.-Verfahren), das anhand von Punktwerten für verschiedene Leistungsbereiche des Behinderten den Hilfsbedarf bewertet.

Eine Bewertung im Jahr 2002 (Bescheid gegenüber dem Kläger vom 31.07.2002 über die Bewilligung der Unterbringungskosten für die Zeit ab dem 01.09.2001) ergab für den Kläger einen Hilfsbedarf nach der Hilfsbedarfsgruppe 2.

Am 23.06.2003 beantragte der Träger des Wohnheimes die Umgruppierung des Klägers in die Hilfsbedarfsgruppe 3, nachdem die Auswirkungen der bestehenden Demenzerkrankung zugenommen hätten. Es handele sich um einen individuellen Bedarf des Klägers, der unabhängig von einer Vergütungsvereinbarung bestehe.

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