Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.06.2007; Aktenzeichen B 6 KA 20/07 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.01.2003 und der Bescheid des Berufungsausschuss vom 17.03.1999 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1957 geborene Kläger ist seit 26.11.1986 zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit zugelassen und übt seine Tätigkeit in Praxisgemeinschaft mit seiner Ehefrau Dr. M. K. in L. aus.

Am 18.05.1995 erfolgte eine Anzeige durch den Stiefvater der H. S., geboren 1983 in Ungarn, wonach ihr der Kläger am 04.05.1995, nachdem sich die Sprechstundenhilfe kurz aus dem Behandlungsraum entfernt gehabt habe, in das Unterhöschen gegriffen habe. Am 10.10.1995 meldete der Stiefvater der Polizei einen ähnlichen Vorfall bei seiner Stieftochter R., geboren 1985, in der Zeit zwischen Oktober 1994 und April 1995. Nach Befragung der Kinder sowie der Sprechstundenhilfen N. K. und J. S., die der Kläger wiederholt belästigt hatte durch Betatschen von Po und Brust durch Kriminalbeamtinnen, verurteilte das Amtsgericht I. am 08.12.1995 den Kläger wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern in zwei Fällen in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen mit Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung (drei Jahre) mit der Auflage einer Geldbuße in Höhe von 40.000,00 DM ausgesetzt. Der Strafbefehl wurde am 28.12.1995 rechtskräftig.

Mit Bescheid vom 25.04.1997 verhängte das Berufungsgericht für die Heilberufe beim OLG M. eine Geldbuße in Höhe von 5.000,00 DM. Die Regierung von Oberbayern lehnte mit Beschluss vom 29.09.1997 den Widerruf der Approbation des Klägers ab. Dem Kläger wurde jedoch mit Beschluss des Bayer. Staatsministeriums für Arbeit und Soziales untersagt, weibliche Auszubildende einzustellen und auszubilden.

Im Februar/März 1998 beantragten die Beigeladenen, dem Kläger die Zulassung zur vertragszahnärztliche Tätigkeit zu entziehen. Mit Beschluss vom 20.05.1998 lehnte der Zulassungsausschuss für Zahnärzte diesen Antrag ab. Auf den Widerspruch der Beigeladenen VdAK und BKK entzog der Berufungsausschuss für Zahnärzte - Bayern - dem Kläger mit Bescheid vom 17.03.1999 die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit. Zur Begründung führte er aus, die Entziehung sei zum Schutz des vertragszahnärztlichen Systems geboten. An den dem Kläger zur Last gelegten sexuellen Übergriffen bestehe kein Zweifel. Sie seien Ausdruck einer abartigen geschlechtlichen Triebhaftigkeit und stellten einen schwerwiegenden persönlichen Mangel dar. Von einer Anordnung einer sofortigen Vollziehung sah der Beklagte ab.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 12.07.1999 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid des Berufungsausschusses vom 17.03.1999 aufzuheben. Er hat vorgetragen, eine gröbliche Pflichtverletzung liege nicht vor. Er sei nach wie vor geeignet zur Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit. In den vergangenen vier bis fünf Jahren habe es keine Beschwerden seitens der Patienten oder Angestellten gegeben. Frühere Angestellte seien in seine Praxis zurückgekehrt. Der Entzug der Zulassung sei auch nicht verhältnismäßig und komme einem Berufsverbot gleich, da er zu 90 % Kassenpatienten behandle.

Das SG hat mit Urteil vom 09.01.2003 die Klage abgewiesen. Es ist von den dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 08.12.1995 zugrunde gelegten Feststellungen ausgegangen. Die Einlassung des Klägers, er habe zum Schutz seiner Familie keinen Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, sei in Anbetracht der Geldbußen von 40.000,00 DM und 5.000,00 DM nicht glaubhaft. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anschuldigungen gegen den Kläger auf Verleumdung beruhen könnten.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, das streitgegenständliche Verfahren sei mit dem Disziplinarrecht vergleichbar. Dort sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) anerkannt, dass ein Strafbefehl keine Bindungswirkung entfalte. Die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen sei mangels einer Hauptverhandlung nicht festgestellt worden. Diese habe der Kläger zum Schutze seiner Praxis und seiner Familie verhindern wollen. Die Richtigkeit des Strafbefehls ergebe sich hieraus gerade nicht. Eine eigene Tatsachenfeststellung durch das SG wäre geboten gewesen. Ein Persönlichkeitsmangel des Klägers liege nicht vor. Er legte ein fachpsychologisches Gutachten der Sachverständigen Dr. L. vom 29.07.2004 vor, woraus sich ergibt, dass eine Persönlichkeitsstörung beim Kläger nicht vorliegt.

Die Beklagte wandte ein, das gravierende Fehlverhalten des Kläger könne nicht durch Wohlverhalten im Entziehungsverfahren aufgehoben werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.01.2003 und den Bescheid des Berufungsausschusses vom 17.03.1999 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufu...

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