Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. nicht für Vollkost. Einkommensberücksichtigung. britische Kriegsopferrente. Privilegierung. Vergleichbarkeit mit einer Grundrente nach dem BVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vollkost ist keine kostenaufwändige Ernährung, die einen Mehrbedarf gem § 21 Abs 5 SGB 2 auslösen würde.

2. Bei der Vollkost handelt es sich um die übliche Ernährung. Vollkost bezeichnet eine vollwertige Ernährung, die ohne Einschränkung alle Nahrungsbestandteile in einem ausgewogenen Verhältnis enthält und den Bedarf an Kalorien deckt.

3. Eine aus Großbritannien bezogene Kriegsopferrente ist mit einer Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (juris: BVG) vergleichbar.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.06.2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 07.03.2012 bis zum 31.08.2012.

Der 1961 geborene Kläger ist britischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland. Seine 1963 geborene Ehefrau E. (E.) und sein 1983 geborener (Adoptiv-) Sohn A. (A.) sind russische Staatsangehörige.

Der Kläger bezieht eine Rente von der Veterans Agency/Großbritannien. Ausweislich des Schreibens der Rentenbehörde vom 04.04.2002 beträgt der Grad der Schwerbeschädigung 30 %. Mit Schreiben vom 29.04.2010 erläuterte die britische Behörde auf Anfrage des Bayer. Landessozialgerichts (L 7 AS 21/08 ZVW), dass die Kriegsbeschädigtenpension als Entschädigungsleistung zu klassifizieren sei, die keiner Bedürftigkeitsprüfung unterliege, steuerfrei sei und in verschiedenen Höhen abhängig von der Feststellungsstufe geleistet werde. Die erteilte Feststellungsstufe repräsentiere die Höhe der von den Amtsärzten festgestellten Gesamtinvalidität. Beim Kläger seien als auf den Militärdienst zurückführbar anerkannt worden: beidseitiger sensorineuraler Hörverlust, Mittelohrentzündung links (1980), Mallet-Deformität linker kleiner Finger (1985), chronische Sinusitis und Rhinitis, Gastroenteritis (1981), Atemwegsinfektion (Januar 1979), Pharyngitis (Februar 1979), Katarrh der Atemwege (Februar 1982), Meniere-Krankheit links. Die Gesamtinvalidität des Klägers berechtige zu einer Kriegsbeschädigungspensionsfeststellung in Höhe von 30 %. Die Rente wird alle vier Wochen geleistet. Im Zeitraum März 2012 bis August 2012 erhielt der Kläger von der britischen Rentenbehörde folgende Zahlungen: 228,57 € am 09.03.2012, 229,75 € am 04.04.2012, 245,94 € am 03.05.2012, 250,61 € am 30.05.2012, 251,49 € am 29.06.2012, 258,28 € am 27.07.2012 und 255,31 € am 23.08.2012.

Das Versorgungsamt Augsburg stellte für den Kläger mit Bescheid vom 03.07.2011 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Mit Bescheid vom 16.01.2009 wurde in Ausführung des Urteils des Bayer. Landessozialgerichts vom 02.12.2008 (L 15 SB 118/04) der GdB ab September 2007 auf 40 erhöht.

Der Kläger erhielt seit September 2005 mit einer kurzen Unterbrechung vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II, zunächst in Form von Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der E. Seit Beginn des Leistungsbezugs legt er dem Beklagten in regelmäßiger Abfolge Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Dr. S. vor. Nach Bekanntwerden des Ausscheidens der E. aus der Bedarfsgemeinschaft (Ausreise am 15.09.2006 nach T., Russische Förderation) gewährte das Landratsamt A-Stadt dem Kläger ab 29.11.2006 Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), stellte die Leistungsgewährung mit Wirkung ab März 2007 aber wieder ein, nachdem die Deutsche Rentenversicherung Nord den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente mit Bescheid vom 08.03.2007 abgelehnt hatte. Die Ablehnung des Rentenantrags ist Gegenstand eines am Bayer. Landessozialgericht noch anhängigen Rechtsstreits (L 13 R 610/09).

Seit März 2007 bezieht der Kläger fortlaufend Leistungen nach dem SGB II. Gestützt auf die ärztlichen Bestätigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S., dass Krankenkost wegen Hyperlipidämie (lipidsenkende Kost) und Hyperurikämie (purinreduzierte Kost) erforderlich sei, gewährte der Beklagte bis Februar 2011 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zunächst in Höhe von 35,79 € monatlich, ab März 2009 in Höhe von 35 € monatlich. Am 01.02.2011 erklärte Dr. S., dass wegen einer Hyperlipidämie eine fettreduzierte Kost erforderlich sei. Zuletzt hat Dr. S. am 10.08.2012 bestätigt, dass eine fettreduzierte Ernährung wegen Hyperlipidämie, Hypercholesterinämie und Hyperuricämie erforderlich sei.

Seine Wohnung in A-Stadt bezog der Kläger im September 2005. Zeitweise lebte A. mit ihm in der Wohnung, zuletzt in der Zeit vom 07.07.2011 bis zum 07.03.2012. Für die Mietwohnung (mindestens 72 qm) fielen zunächst Kosten in Höhe von 350 € monatlich an (...

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