Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 oder SGB 12. kein pauschaler Abschlag von der Regelleistung im Eilverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist eine Einzelfallentscheidung, ob und in welcher Höhe im Eilverfahren ein Abschlag von der Regelleistung vorgenommen wird. Ist strittig, ob Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII zu gewähren sind, ist ein Abschlag von der Regelleistung nur mit einer besonderen Begründung gerechtfertigt.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 8. Februar 2018 abgeändert.

II. Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin vorläufig für die Zeit vom 24.01.2018 bis 31.01.2018 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 309,52 € und für die Zeit vom 01.02.2018 bis 31.05.2018 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 1.160,59 € monatlich zu gewähren.

III. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

IV. Der Beschwerdeführer trägt vier Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin.

V. Der Beschwerdeführerin wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung, unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B., bewilligt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Versagung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab dem 01.01.2018 streitig.

Die 1975 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Bf) erhielt vom Antrags- und Beschwerdegegner (Bg) bis zum 31.12.2017 monatliche Leistungen in Höhe von 1153,59 €.

Die Bf stellte am 17.11.2017 einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II. Der Bg forderte sie unter Hinweis auf die Folgen fehlender Mitwirkung zu einer persönlichen Vorsprache am 15.12.2017 auf. Zu diesem Termin erschien die Bf nicht. Sie übersandte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 30.11.2017, wonach sie seit dem 06.05.2016 bis zum 31.12.2017 arbeitsunfähig und bis zum 31.12.2017 nicht verhandlungsfähig sei.

Mit Bescheid vom 20.12.2017 versagte der Bg die Gewährung von Arbeitslosengeld II bis zur Nachholung der Mitwirkung vollständig. Über den am 16.01.2018 eingelegten Widerspruch ist nach Aktenlage noch nicht entschieden worden.

Am 24.01.2018 stellte der Bevollmächtigte der Bf einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München. Er beantragte den Bg im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Bf Leistungen nach dem SGB II (mindestens in Höhe der Regelleistung und der tatsächlichen Kosten der Unterkunft) in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Das Sozialgericht München verpflichtete mit Beschluss vom 08.02.2018 den Bg, vorläufig für die Zeit vom 24.01.2018 bis 31.01.2018 Arbeitslosengeld II in Höhe von 276,21 € und für die Zeit vom 01.02.2018 bis 31.05.2018 monatlich in Höhe von 1035,79 € zu gewähren. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Der Antrag sei im tenorierten Umfang begründet. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund seien zu bejahen. In Ausübung richterlichen Ermessens würden im Eilverfahren die vorläufig zu gewährenden Leistungen zur Vermeidung einer Vorwegnahme in der Hauptsache um 30 % des Regelbedarfs reduziert und zeitlich bis zum 31.05.2018 begrenzt. Die Gewährung von Leistungen für Zeiten vor Eingang des Eilantrags bei Gericht komme nicht in Betracht. Es sei nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes, vorläufig über Leistungsbewilligungen für die Vergangenheit zu entscheiden. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Bf am 15.02.2018 zugestellt.

Der Prozessbevollmächtigte der Bf hat am 19.02.2018 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) erhoben. Im Beschwerdeverfahren hat er keinen Antrag gestellt. Zur Begründung der Beschwerde hat er ausgeführt, dass die Bf sich gegen die 30 % Kürzung der Regelleistung wende. Im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei es grundsätzlich gerechtfertigt, um eine Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden, einen Abschlag bei der begehrten Leistung bis zu einer Höhe von 30 % des Regelbedarfs vorzunehmen. Dies sei jedoch kein Automatismus. Kein Abschlag sei vorzunehmen, wenn die Erfolgsaussicht einer Klage in der Hauptsache offensichtlich sei. Dies sei gegeben, da der Bf existenzsichernde Leistungen zustehen würden, egal von welchem Träger. Die Bf sei schwer erkrankt. Der Versagungsbescheid sei kurz vor Weihnachten gekommen. Die Bf habe nur wenig Zeit gehabt, einen Anwalt zu beauftragen. Aufgrund der Bewilligung von Leistungen erst ab Eingang des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz sei die Bf in ihrer Lebensführung beeinträchtigt, so dass die Kürzung tatsächlich im Januar und über den gesamten Zeitraum über der 30 %-Grenze liege. Zugleich hat der Bevollmächtigte Prozesskostenhilfe beantragt und darauf hingewiesen, dass die Beschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg biete, da mit der Kürzung der Regelleistung um bis zu 30 % und die spätere Bewilligung ab dem 24.01.2018 die nach der Rechtsprechung des BayLSG getroffene grundsätzliche Kürzung der Regelleistung...

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