Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. zum Anfall einer fiktiven Terminsgebühr bei schriftlichem Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Unter einem schriftlichen Vergleich im Sinne von Ziffer 3106 S 1 Nr 1, 2. Alt VV RVG ist nur ein unter Mitwirkung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 101 Abs 1 S 2 SGG oder nach § 202 SGG iVm § 278 Abs 6 ZPO zu verstehen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. April 2014 sowie die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 28. März 2014 abgeändert. Für das Klageverfahren Aktenzeichen S 44 P 265/13 wird die zu erstattende Vergütung auf 737,80 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das der Beschwerdegegnerin nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Beschwerdeführer) zusteht. Streitig ist die Terminsgebühr.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG), Aktenzeichen S 44 P 265/13, ging es um die Anerkennung einer Pflegestufe durch die Beklagte. Am 08.08.2013 erhob die Klägerin über ihre Bevollmächtigte, die Beschwerdegegnerin, Klage (Mandatierung am 07.08.2013). Nach Durchführung von Sachermittlungen, insbesondere der Einholung eines Pflegegutachtens, gab die Beklagte mit Schreiben vom 17.01.2014 ein Vergleichsangebot ab. Mit gerichtlichem Schreiben vom 28.01.2014 wurde die Beschwerdegegnerin gefragt, ob sie diesem Vergleichsvorschlag zustimme und das Verfahren für erledigt erkläre. Im Schriftsatz vom 03.02.2014 teilte die Beschwerdegegnerin ihr Einverständnis mit dem Angebot mit und erklärte, dass sich das Verfahren damit erledigt habe. Mit Beschluss vom 05.02.2014 bewilligte das SG der Klägerin PKH und ordnete die Beschwerdegegnerin mit Wirkung ab Antragstellung bei; die Klägerin hatte mit Schriftsatz vom 30.10.2013 PKH beantragt.

Am 20.02.2014 beantragte die Beschwerdegegnerin die Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 1.104,02 EUR. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.03.2014 setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung der Beschwerdegegnerin auf 1.059,10 EUR, im Einzelnen wie folgt fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG:

300,00 EUR

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG:

270,00 EUR

(str.)

Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG:

300,00 EUR

Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG:

20,00 EUR

Dokumentenpauschale, Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG:

-       

Zwischensumme:

890,00 EUR

19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG:

169,10 EUR

1.059,10 EUR

Dabei folgte er dem Vergütungsantrag in allen Einzelgebühren bis auf eine Dokumentenpauschale, die er nicht gewährte. Im Hinblick auf die streitgegenständliche fiktive Terminsgebühr wies der Kostenbeamte darauf hin, dass die Vorschrift Nr. 3106 VV RVG der Entlastung der Gerichte diene.

Am 08.04.2014 hat der Beschwerdeführer hiergegen Erinnerung eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 737,80 EUR festzusetzen. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die Voraussetzungen für die Abrechnung einer Terminsgebühr nicht erfüllt seien. Die hier erfolgte schriftliche Annahme des Vergleichsangebots mit Schreiben vom 03.02.2014 könne definitiv gebührenrechtlich nicht unter den Tatbestand des § 101 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) subsumiert werden.

Dieser Auffassung hat sich der Kostenrichter des SG nicht angeschlossen und mit streitgegenständlichem Beschluss vom 16.04.2014 die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Vorliegend, so der Kostenrichter, liege zwar ein schriftlicher, jedoch eben nur ein außergerichtlicher Vergleich vor. Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG falle jedoch bereits dann an, wenn ein schriftlicher Vergleich zur Erledigung des Rechtstreits geführt habe; die besonderen Anforderungen des § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG oder des § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) müssten nicht erfüllt sein. Dafür spreche bereits der Wortlaut der Vorschrift. Denn wenn der Gesetzgeber tatsächlich einen gerichtlichen Vergleich gemeint haben sollte, hätte er dies auch so formulieren können. Weiter spreche auch der mit der fiktiven Terminsgebühr verfolgte Zweck für die hier vertretene Auffassung. Die fiktive Terminsgebühr diene dazu, die vergleichsweise Einigung in einem möglichst frühen Stadium zu fördern und zu honorieren und damit zur Beschleunigung des Gerichtsverfahrens beizutragen und die Justiz zu entlasten. Weiter würde gegen diese Auslegung auch nicht die Einführung des § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG sprechen; hierdurch sei für die eher seltenen Fälle, in denen aus Gründen des Verfahrensinhalts ein gerichtlicher Vergleich erforderlich sei, Rechtsklarheit geschaffen worden. Anders als im zivilgerichtlichen Verfahren sei es in den Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit eher selten erforderlich, eine getroffene Vereinbarung in die Form eines gerichtlichen Vergleichs zu fassen. Wenn allerdings für die Abrechnung der anwaltlichen Gebühren die Beschlussform zur Vorau...

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