Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Aufrechnungsbescheid. 3-jähriger Geltungszeitraum des Aufrechnungsbescheides. Aufrechnungsbetrag im Bewilligungsbescheid als wiederholende Verfügung. Begrenzung des monatlichen Aufrechnungsbetrags insgesamt auf 30 % des Regelbedarfs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufrechnung gegen Geldleistungsansprüche nach SGB 2 erfolgt gem § 43 Abs 4 S 1 SGB 2 durch Verwaltungsakt. Dieser Verwaltungsakt wird von § 39 SGB 2 nicht erfasst, so dass Widerspruch und Klage gem § 86a Abs 1 S 1 SGG aufschiebende Wirkung haben.

2. Die Dauer der Aufrechnung ist gem § 43 Abs 4 S 2 SGB 2 grundsätzlich auf drei Jahre begrenzt. Dies zeigt, dass die Geltungsdauer eines Aufrechnungsverwaltungsaktes nicht an die Grenzen eines Bewilligungszeitraums von regelmäßig sechs Monaten gebunden ist. Soweit eine laufende Bewilligung die bereits festgelegte Aufrechnung als Rechnungsposten wiedergibt, handelt es sich lediglich um eine wiederholende Verfügung ohne erneute sachliche Prüfung.

3. Ob eine Deckelung der Gesamtaufrechnung auf 30 % des Regelbedarfs nach § 43 Abs 2 S 3 SGB 2 durch Verwaltungsakt erfolgt oder sich die zu hohe Aufrechnung ohne Verwaltungsakt erledigt, kann im einstweiligen Rechtsschutz offen bleiben, weil in der Reduzierung der Aufrechnung keine Beschwer liegt.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch Aufrechnungen reduziert werden dürfen.

Der 1953 geborene Antragsteller bezieht vom Antragsgegner laufend Arbeitslosengeld II.

Aufgrund einer Nachzahlung von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erging am 11.09.2012 ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für die Zeit von Februar bis Juli 2011 mit einer Gesamtforderung von 1572,54 Euro. Zugleich wurde in diesem Bescheid eine Aufrechnung in Höhe von monatlich 112,20 Euro (30 % des Regelbedarfs von 374,- Euro) verfügt. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 20.02.2013). Eine Klage erfolgte nicht.

Aufgrund eines nicht mitgeteilten Einkommens aus Arbeit erging am 15.01.2013 ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für den November 2012 mit einer Gesamtforderung von 994,- Euro. Zugleich wurde in diesem Bescheid eine Aufrechnung in Höhe von monatlich 38,20 Euro (10 % des Regelbedarfs von 382,- Euro) verfügt. Dagegen wurde weder Widerspruch noch Klage erhoben.

Mit Schreiben vom 01.03.2013 (Verwaltungsakte S. 835) teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass sich die Rückforderungssumme aus dem Erstattungsbetrag von 1572,54 Euro ab April 2013 auf monatlich 76,40 Euro (20 % des Regelbedarfs) und aus dem Erstattungsbetrag von 994,- Euro auf monatlich 38,20 Euro (10 % des Regelbedarfs) belaufe. Der Antragsteller möge daneben beachten, dass auch die Stromabschlagszahlungen von monatlich 81,- Euro laufend an die Stadtwerke überwiesen werden. Dieses Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zum Widerspruch versehen.

Der Antragsteller legte gegen das Schreiben vom 01.03.2013 Widerspruch ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2013 als unzulässig verworfen. Bei dem Schreiben handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern hinsichtlich der Aufrechnungen lediglich um wiederholende Verfügungen. Ob gegen den Widerspruch Klage erhoben wurde, ist nicht bekannt.

Bereits am 18.04.2013 stellte der Antragsteller anlässlich eines Erörterungstermins am Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Bescheid vom 01.03.2013 sei aufzuheben und ihm ab April 2013 der volle Regelbedarf in Höhe von 382,- Euro ohne Abzug von Aufrechnungsbeträgen zu gewähren bzw. die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01.03.2013 festzustellen. Die Nachzahlung des Arbeitsamtes habe er nie erhalten. Von der derzeit überwiesenen Summe von 186,40 Euro könne er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten.

Mit Beschluss vom 23.05.2013 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Zulässig sei ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01.03.2013. Dieser Antrag sei jedoch nicht begründet. § 39 SGB II erfasse nicht die Aufrechnung nach § 43 SGB II. Eine gerichtliche deklaratorische Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs analog § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei hier grundsätzlich möglich. Dies scheitere hier aber daran, dass das Schreiben vom 01.03.2013 kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei. Die Aufrechnungen seien in den beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden enthalten, die bestandskräftig seien. Das Schreiben vom...

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