Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Berufung. Fehlen der Parteifähigkeit einer liquidatorlosen wegen Vermögenslosigkeit ohne Insolvenzverfahren gelöschten GmbH. Streitwerterhöhung durch Säumniszuschläge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Berufung einer liquidatorlosen wegen Vermögenslosigkeit ohne Insolvenzverfahren gelöschten GmbH ist unzulässig.

2. Säumniszuschläge erhöhen den Streitwert.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 04.08.2009 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

III. Der Streitwert wird auf EUR 1.411.764,91 festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind Beitragsnachforderungen auf Grund einer Betriebsprüfung.

Die Klägerin war eine im Handelsregister des Amtsgerichts L. unter der Nr. HRB 4120 seit 15.02.1996 eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Geschäftsgegenstand "Planung und Durchführung von Eisenverlegearbeiten" bis sie wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde gemäß Eintrag von Amts wegen vom 12.09.2007. Ein Insolvenzverfahren wurde nicht durchgeführt, ein Liquidator nicht bestellt.

Auf Grund Betriebsprüfung aus Anlass von Ermittlungen des Hauptzollamtes und der Staatsanwaltschaft forderte die Beklagte von der Klägerin gemäß Bescheid vom 14.04.2004/Widerspruchsbescheid vom 27.01.2005 Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Säumniszuschläge von EUR 1.411.764,91 nach. Die dagegen zum Sozialgericht Landshut am 01.03.2005 erhobene Klage der Klägerin hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 04.08.2009 wegen fehlender Vollmacht als unzulässig abgewiesen. Dabei hat das Sozialgericht als Kläger den vormaligen Geschäftsführer der Klägerin benannt, nachdem sich der Kanzleiabwickler des Klägerbevollmächtigten für den ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin bestellt hatte.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem sinngemäßen Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 04.08.2009 sowie den Bescheid vom 14.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Bevollmächtigten der Klägerin und die Beklagte zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung als unzulässig, zur Kostenfolge und zur beabsichtigten Streitwertfestsetzung angehört. Beide Beteiligte haben keine Einwände erhoben.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der nicht mehr existenten Klägerin ist mangels Parteifähigkeit unzulässig.

Sowohl der Bescheid vom 14.04.2004 als auch der Widerspruchsbescheid vom 27.01.2005 sind gegenüber der Klägerin, der Firma A. ergangen. Diese hat die Klage vom 01.03.2005 erhoben. Ein Klägerwechsel hat während des Klageverfahrens nicht stattgefunden. Zwar hat sich am 29.10.2008 der Kanzleiabwickler des Klägerbevollmächtigten für den ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin als Verfahrensbevollmächtigter bestellt. Dadurch allein ist aber der ehemalige Geschäftsführer der damals bereits nicht mehr existenten Klägerin nicht zur Klagepartei geworden. Das Rubrum des Sozialgerichts ist somit nur irrtümlich geändert worden.

In der Folge war die Klägerin bereits nicht mehr existent, als die Berufung für sie eingelegt wurde. Handlungsberechtigte Personen wie ein Liquidator oder ein Insolvenzverwalter, die zur Abwicklung von Rechten und Pflichten der Klägerin hätten berechtigt gewesen können, waren vor dem Hintergrund der Vermögenslosigkeit nicht eingesetzt worden. Die Klägerin war somit zum Zeitpunkt der Berufung weder real vorhanden noch handlungsfähig. Mangels Parteifähigkeit ist deshalb die Berufung unzulässig.

Weil mangels existierender Klägerin eine mündliche Verhandlung nicht sinnvoll ist, wird nach Gewährung des rechtlichen Gehörs die Berufung durch Beschluss gem § 158 S 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig verworfen.

In von Amts wegen vorzunehmender Abänderung der Kostenentscheidung des Sozialgerichts ist zu bestimmen, dass die Kostentragungspflicht nicht zu Lasten der Beklagten oder der Staatskasse geht, sondern zu Lasten der Klägerin (§ 197a Abs 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1 und 154 Abs 2 VwGO).

Der Streitwert wird in Höhe der Gesamtforderung des streitigen Bescheides/Widerspruchsbescheides auf EUR 1.411.764,91 festgesetzt. Einzubeziehen sind gem § 52 Abs 1 GKG die nachgeforderten Säumniszuschläge. Deren Rechtsgrundlage § 24 Abs 2 SGB IV verlangt für die in die Vergangenheit zurückwirkende Festsetzung - wie vorliegend - eigene Feststellungen dazu, ob die Nichtabführung der Beiträge ohne Verschulden unterblieben ist (vgl BSG Urteil vom 30.03.2000 - B 12 KR 14/99). Dies stellt aber einen eigens zu bewertenden Streitgegenstand dar (vgl auch Hinweisbeschluss BGH NZA 2008, 1359). Dieser ist bei der Höhe des Streitwertes zu berücksichtigen (vgl Behn, ZfS 2005, 198; LSG Rheinland-Pfalz vom 02.12.2005 - L 129/05; aA: Streitwertkatalog der Sozialgerichtsbarkeit 2006 und 2007; LSG NRW vom 07.08.2007 - L 11 R 4/06).

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