Leitsatz (amtlich)

Die Betriebsprüfungsbehörde darf einen Summenbeitragsbescheid nicht erlassen, wenn personenbezogene Feststellungen zu Versicherungspflicht und Beitragshöhe möglich sind.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 19. September 2012 abgeändert in Ziffer II. Die Auflage der Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 215.000,00 EUR wird aufgehoben.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert wird auf 143.778,72 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist eine Nachforderung von Beiträgen zur Gesamtsozialversicherung in Höhe von 431.336,18 EUR inklusive Säumniszuschläge in Höhe von 107.903,00 EUR.

Die Antragstellerin betreibt ein Reinigungsgewerbe und ist in einer Vielzahl von Autobahnraststätten entlang der bayerischen Autobahnen im Bereich der Toilettenreinigung tätig. Aufgrund einer anonymen Anzeige begann im Jahr 2009 das Hauptzollamt A-Stadt gegen die Antragstellerin zu ermitteln. Im Zuge dieser Ermittlungen wurden zahlreiche Mitarbeiter der Antragstellerin vernommen sowie auch zahlreiche Arbeitsverträge sichergestellt. Nachgeforscht wurde auch, in welchem zeitlichen Umfang die einzelnen Mitarbeiter in jeweiligen Raststätten mit Reinigungsarbeiten beschäftigt waren. Die Beschäftigten erzielten überwiegend ein Entgelt in Höhe zwischen 400,01 EUR und 800,00 EUR monatlich. Nach den Ermittlungsunterlagen haben zahlreiche Arbeitnehmer mehr Arbeitsstunden geleistet als letztlich abgerechnet wurden. Dies führte zu einer Mindestlohnunterschreitung.

Aufgrund der Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes erließ die Antragsgegnerin am 21.06.2012 einen Bescheid nach §§ 28 p Abs. 1, 107 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Sie forderte damit Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach für den Zeit vom 01.04.2008 bis 28.02.2010 in Form eines Summenbeitragsbescheides. Eine Prüfung innerhalb des Betriebes der Antragstellerin bzw. deren Steuerberater wurde von der Antragsgegnerin nicht durchgeführt. Die Beitragsnachforderung beruht auf der Annahme, dass Beschäftigte, die als Reinigungskräfte für die Antragstellerin tätig waren, nicht das ihnen zustehende Entgelt erhalten hatten und dass dadurch Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht in richtiger Höhe abgeführt wurden. Eine Zuordnung der Sozialversicherungsbeiträge zu den jeweiligen Beschäftigten nahm die Antragsgegnerin nicht vor.

Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch erhoben und hat am 23.07.2012 zudem einen Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beim Sozialgericht Nürnberg gestellt. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass eine sofortige Vollziehung des festgesetzten Betrages dazu führe, dass sie die laufenden Kosten nicht mehr decken könne. Sie müsste dann Insolvenzantrag stellen und die Arbeitnehmer entlassen. Sie hat weiter vorgetragen, dass die Arbeitnehmer während ihrer Anwesenheitszeiten an den Rasthöfen nicht durchgehend gearbeitet hätten. Sie seien vielfach auch privaten Dingen nachgegangen. Die Antragstellerin hat außerdem geltend gemacht, dass die Antragsgegnerin einen Summenbeitragsbescheid erlassen habe, ohne die Beiträge namentlich den einzelnen Personen zuzuordnen. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin auf die Möglichkeit verwiesen, bei der Einzugsstelle einen Antrag auf Stundung zu stellen.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 19.09.2012 in der Ziffer I. die Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 11.07.2012 angeordnet. Gleichzeitig hat das Sozialgericht in der Ziffer II. die Auflage erteilt, eine Sicherheitsleistung in Höhen von 215.000,00 EUR zu erbringen.

Das Sozialgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass bislang nur unzureichende Unterlagen vorlägen, die die Antragsgegnerin zur Grundlage ihres Bescheides gemacht habe. Darüber hinaus sei offen, ob die Antragsgegnerin einen Summenbeitragsbescheid habe erlassen dürfen.

Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt am 19.10.2012. Sie hat die Beschwerde auf die Anordnung der Leistung einer Sicherheit in Höhe von 215.00,00 EUR beschränkt. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zahlreiche eidesstattliche Versicherungen von verschiedenen Mitarbeitern vorgelegt, in denen die Mitarbeiter auf einheitlichen vorgefertigten Schriftstücken erklären, dass sie über die vertraglich geregelte Arbeitszeit hinaus für die Antragstellerin nicht tätig gewesen seien. Der von der Antragstellerin zu zahlende Arbeitslohn sei entsprechend der vertraglichen Vereinbarung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit korrekt abgerechnet.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.09.2012 dahingehend abzuändern, dass die Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs erfolgt ohne die Auflage der Leistung einer Sicherheit in Höhe von 215.000,00 EUR.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie beantragt hilfsweise,

die Aussetzung der Vol...

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