Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Erstattung von Fahrtkosten eines Beteiligten bei öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Vorlage einer Fahrkarte

 

Leitsatz (amtlich)

Der Nachweis der bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstandenen Kosten kann nicht nur durch die Vorlage der Fahrkarte geführt werden.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer wendet sich mittels der Beschwerde insofern gegen die durch das Sozialgericht (SG) erfolgte Kostenfestsetzung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), als dieses die Erstattung der Kosten für eine Zugfahrkarte in Höhe von 18,20 € und eine S-Bahn-Fahrkarte in Höhe von 2,50 € festgesetzt hat, ohne dass der Antragsteller und Beschwerdegegner die entsprechenden Fahrkarten vorgelegt hätte.

Am 29.02.2012 nahm der in A-Stadt wohnhafte Beschwerdegegner auf gerichtliche Anordnung in einem schwerbehindertenrechtlichen Rechtsstreit einen Begutachtungstermin in B-Stadt wahr. Am 13.03.2012 beantragte er die Erstattung der anlässlich der Begutachtung angefallenen Fahrtkosten in Höhe von 23,20 € (18,20 € für die Zugfahrt A-Stadt-B-Stadt/Hauptbahnhof und zurück sowie je 2,50 € für die S-Bahn-Fahrten vom Hauptbahnhof zum Ortsteil der Begutachtung und zurück). Einen Beleg legte er nur für die S-Bahn-Fahrt vom Hauptbahnhof zum Gutachter, abgestempelt um 9.09 Uhr, in Höhe von 2,50 € vor. Weitere Nachweise reichte er nicht ein; er habe - so der Beschwerdegegner - die Fahrkarten verlegt. Die Kostenbeamtin des SG setzte die Entschädigung mit 2,50 € fest; die darüber hinaus geltend gemachten Kosten - so die Kostenbeamtin im gerichtlichen Schreiben vom 16.03.2012 - seien nicht mit Belegen nachgewiesen.

Auf den mit Schreiben des Beschwerdegegners vom 04.04.2012 gestellten Antrag auf gerichtliche Festsetzung ist die Entschädigung mit Beschluss des SG vom 29.06.2012 antragsgemäß auf 23,20 € festgesetzt worden. Das SG hat die Erstattung damit begründet, dass die vom Beschwerdegegner geltend gemachten Auslagen auch ohne Vorlage von Belegen glaubhaft seien. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdegegner kostenfrei mitgenommen worden sei, über ein Pendlerticket verfügt habe, mit einem vergünstigten Ticket oder überhaupt ohne Fahrschein gereist sei. Es sei zwar sicherlich sinnvoll, wenn im Antragsformular für die Entschädigung formularmäßig Belege angefordert würden. Der Gesetzeswortlaut trage es aber nicht, die Erstattung von Fahrtkosten ohne die Vorlage von Belegen grundsätzlich abzulehnen. Da das Gesetz das Führen des Vollbeweises der Fahrtkosten nicht verlange, müsse im Einzelfall mangels gesetzlicher Regelungen die Glaubhaftmachung ausreichen. Bei Verlorengehen von Belegen, deren Anforderung grundsätzlich nicht in Frage zu stellen sei, solle daher im Einzelfall die Glaubhaftmachung ausreichen. Im Rahmen der Anforderungen an die Glaubhaftmachung sollte Berücksichtigung finden, dass eine Erstattung von PKW-Kosten, die im vorliegenden Fall höher als die geltend gemachten Zugkosten wären, ohne Nachweis möglich gewesen wäre.

Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel. Er trägt vor, dass nichts leichter sei, als eine Fahrkarte als Beleg für bare Auslagen vorzulegen, worum schon im Antragsformular, das der Betroffene vorab oder nach einer gutachterlichen Untersuchung ausgehändigt bekomme, gebeten werde.

II.

Die vom SG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig, aber unbegründet.

Die Entscheidung des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Dem Beschwerdegegner sind im vorliegenden Fall die geltend gemachten Fahrtkosten für Zug und S-Bahn zu erstatten, da die geltend gemachten Kosten auch ohne die Vorlage von Belegen im dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen sind.

1. Anzuwendendes Recht

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn der Beschwerdegegner als Berechtigter ist vor dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden.

2. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren

Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung sind vom Beschwerdegericht alle für die Bemessung der Entschädigung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat oder nicht (vgl. Landessozialgericht - LSG - Thüringen, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11 B - m.w.N.). Das Beschwerdegericht ist eine neue Tatsacheninstanz, die in vollem Umfang anstelle des Erstgerichts zu entscheiden hat (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 4.18; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl. 2012, § 4 JVEG, Rdnr. 28).

3. Kriterien für d...

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