Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Bayerisches Betreuungsgeld. Verfassungsmäßigkeit. Ungleichbehandlung von Elterngeld und Betreuungsgeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Bayerische Betreuungsgeld ist anzurechnendes Einkommen im Sinn von §§ 11 ff SGB II.

2. Die Verschiedenbehandlung im Rahmen von § 10 Abs 5 S 2 BEEG von Elterngeld und dem Elterngeld vergleichbaren Leistungen der Länder auf der einen Seite sowie von Betreuungsgeld und dem Betreuungsgeld vergleichbaren Leistungen der Länder auf der anderen Seite verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

3. Der Umstand, dass im Einzelfall kein Kita-Platz zur Verfügung steht, zieht nicht nach sich, dass das Bayerische Betreuungsgeld zwangsläufig anrechnungsfrei bleiben muss.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Das Berufungsverfahren betrifft die Auszahlung von Bayerischem Betreuungsgeld, das für den Zeitraum 28.04.2016 bis 27.01.2017 bewilligt wurde.

Die 36-jährige Klägerin ist die Mutter des am 28.01.2015 geborenen Kindes M. A.. Vor dessen Geburt war sie erwerbstätig und bezog Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit. Ihr letztes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor der Geburt war befristet und endete am 14.12.2014. Nachdem die Zahlung von Mutterschaftsgeld nach M.s Geburt eingestellt worden war, bezogen die Klägerin und das Kind ab Februar 2015 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Für Betreuung und Erziehung ihres Sohns während dessen ersten zwölf Lebensmonaten (28.01.2015 bis 27.01.2016) erhielt die Klägerin Elterngeld in Höhe von null EUR für den ersten Lebensmonat, 46,74 EUR für den zweiten und jeweils 654,24 EUR für die weiteren Bezugsmonate zuerkannt. Für M.s Lebensmonate dreizehn bis achtzehn (28.01.2016 bis 27.07.2016) bezog sie Landeserziehungsgeld in Höhe von 150 EUR monatlich.

Folgende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld) wurden der Klägerin und M. für den hier maßgebenden Zeitraum vom Beigeladenen bewilligt (Bewilligungsbescheid vom 29.04.2015 sowie Änderungsbescheide vom 05.02., 26.02., 04.05.2016, Bewilligungsbescheid vom 04.05.2016 sowie Änderungsbescheide vom 19.10., 16.12. und 29.12.2016):

Leistungsmonat

Klägerin

M.    

März 2016

797,20 EUR

199,78 EUR

April 2016

797,20 EUR

149,78 EUR

Mai 2016

797,20 EUR

149,78 EUR

Juni 2016

797,20 EUR

149,78 EUR

Juli 2016

797,20 EUR

149,78 EUR

August 2016

797,20 EUR

149,78 EUR

September 2016

797,20 EUR

149,78 EUR

Oktober 2016

719,10 EUR

135,10 EUR

November 2016

694,85 EUR

130,55 EUR

Dezember 2016

755,46 EUR

130,80 EUR

Dabei rechnete der Beigeladene in den Monaten März bis Oktober 2016 kein Einkommen der Klägerin an, in den Monaten November bis Dezember 2016 jeweils Einkünfte aus einer geringfügigen Tätigkeit in einem Fitnessstudio. Diese Tätigkeit hatte zwar schon im Oktober 2016 begonnen, der erste Zufluss von Arbeitsentgelt erfolgte jedoch erst im November 2016.

Am 14.06.2016 beantragte die Klägerin Bayerisches Betreuungsgeld für M.s Lebensmonate 15 bis 36 (28.03.2016 bis 27.01.2018). Mit Bescheid vom 16.12.2016 bewilligte der Beklagte die Leistung antragsgemäß in Höhe von monatlich 150 EUR. Dazu teilte er mit, vorerst könne eine Auszahlung nicht erfolgen. Denn der Beigeladene habe mitgeteilt, die Klägerin würde Leistungen nach dem SGB II erhalten beziehungsweise hätte solche erhalten. Bis zur abschließenden Klärung eines eventuellen Anspruchsübergangs werde die Zahlung von Betreuungsgeld vorerst nicht aufgenommen.

Am 16.12.2016 ging beim Beklagten eine auf den 12.12.2016 datierte Mitteilung des Beigeladenen zum "Anspruchsübergang" ein. Einen Anspruchsübergang machte der Beigeladene für die Lebensmonate 16 bis 24 (28.04.2016 bis 27.01.2017) geltend, und zwar jeweils 120 EUR für die Lebensmonate 16 bis 22 und jeweils 150 EUR für die Lebensmonate 23 und 24. Mit Schreiben vom 21.12.2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, der Beigeladene habe nun "seinen Anspruchsübergang" beziffert, so dass die Auszahlung erfolgen könne. Für den 15. sowie für den 25. bis 36. Lebensmonat würde die Leistungen in voller Höhe von 150 EUR an die Klägerin ausgezahlt, für den 16. bis 22. Lebensmonat jeweils 30 EUR, während die Leistungen für die Lebensmonate 23 und 24 komplett an den Beigeladenen abgeführt würden.

Mit einer E-Mail vom 05.01.2017 protestierte der Vater der Klägerin, ihr Prozessbevollmächtigter im vorliegenden Verfahren, gegen das Schreiben vom 21.12.2016. Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 10.01.2017, der Bescheid vom 16.12.2016 sei bislang noch nicht "rechtskräftig". Innerhalb eines Monats nach dessen Zugang könne noch Widerspruch eingelegt werden. Daraufhin legte die Klägerin mit Schreiben vom 13.01.2017 gegen das "Schreiben vom 10.01.2017" Widerspruch ei...

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