Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsstreit zwischen Sozialhilfe- und Jugendhilfeträger: Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung

 

Leitsatz (amtlich)

I. Mit dem Beschwerdevorbringen, das Erstgericht habe eine ambulante Einzelbetreuung für einen Leistungsberechtigten entgegen dem Regelungsgehalt der Bewilligungsbescheide nicht als Erziehungsbeistandschaft nach § 30 SGB VIII bewerten dürfen, sondern hätte von einer Eingliederungshilfeleistung nach § 35a SGB VIII ausgehen müssen, ferner habe das Erstgericht zu Unrecht einen über die ambulante Einzelbetreuung hinausgehenden Bedarf des Leistungsberechtigten an behinderungsbedingt erforderlichen Eingliederungshilfeleistungen nach §§ 53, 54 SGB XII (i.d.F. vom 27.12.2003) verneint, wird lediglich die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts gerügt, nicht jedoch eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG aufgeworfen.

II. Eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt auch im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 25.09.2014 (B 8 SO 7/13 R) nicht vor.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 12.12.2018, S 15 SO 104/16, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.567,79 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

In der Hauptsache streiten die Beteiligten darüber, ob der Beklagte der Klägerin Kosten in Höhe von insgesamt 4.567,79 €, die die Klägerin in der Zeit vom 23.02.2015 bis 31.08.2015 für die ambulante Einzelbetreuung des Leistungsberechtigten B. (M. I.) aufgewandt hat, zu erstatten hat sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen hat.

Der 1998 geborene Leistungsberechtigte M. I. ist mehrfach behindert (seelische und geistige Behinderung aufgrund atypischen Autismus und mittelgradiger depressiver Episode). Für die Zeit vom 11.09.2013 bis 12.02.2015 gewährte die Klägerin als Trägerin der Jugendhilfe für M. I. stationäre Eingliederungshilfe nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in Form der Kostenübernahme einer Heimunterbringung in einer therapeutischen Wohngruppe. Für die Zeit vom 23.02.2015 bis 31.08.2015 gewährte die Klägerin als Trägerin der Jugendhilfe für M. I. zuletzt mit Bescheid vom 26.3.2015 ambulante Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für den Einsatz einer ambulanten Einzelbetreuung im Umfang von 4 Stunden wöchentlich nach § 35a SGB VIII. Bezüglich der Ausgestaltung der Hilfe wird auf den Bericht des Allgemeinen Sozialdienstes vom 16.01.2015 sowie auf den Hilfeplan vom 08.05.2015 verwiesen.

Nachdem die Klägerin bereits mit Schreiben vom 07.04.2014 vom Beklagten erfolglos die Erstattung der Kosten und Fallübernahme verlangt hatte, bat sie den Beklagten mit Schreiben vom 26.08.2015 unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Landesarztes vom 03.11.2014 erneut um Klärung der sachlichen Zuständigkeit. Daraufhin erstattete der Beklagte die Kosten für die Leistungen der stationären Eingliederungshilfe für den Zeitraum vom 11.09.2013 bis 12.02.2015 (Schreiben vom 14.09.2015 und 24.11.2015); die Kostenerstattung für die gewährte ambulante Eingliederungshilfe lehnte der Beklagte weiterhin ab.

Am 10.08.2016 erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht A-Stadt (Az.: W 3 K 16.827). Es bestehe eine vorrangige Leistungsverpflichtung des Beklagten nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII. Ausweislich der Stellungnahme des Landesarztes liege beim Leistungsberechtigten eine Mehrfachbehinderung vor. Der Klägerin stehe ein Kostenerstattungsanspruch nach § 104 Abs.1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu. Der gesamte Hilfebedarf sei durch Leistungen der Eingliederungshilfe abzudecken. Der Einsatz einer ambulanten Eingliederungshilfe stelle auch eine Maßnahme der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe dar.

Nach Verweis des Rechtsstreits an das Sozialgericht Würzburg (SG) (Beschluss vom 04.10.2016) wies das SG die Klage ab. Einem Anspruch nach § 104 SGB X stehe entgegen, dass die als Jugendhilfe erbrachte ambulante Einzelbetreuung keine Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII darstelle. Der Leistungsberechtigte habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die ambulante Einzelbetreuung als Leistung der Eingliederungshilfe nach §§ 19 Abs. 3, 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der am 31.12.2017 geltenden Fassung. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen lasse sich kein zusätzlicher Bedarf des Leistungsberechtigten für Eingliederungshilfemaßnahmen nach §§ 53 Abs. 1 S. 1, 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 und 2 SGB IX in der am 31.12.2017 geltenden Fassung feststellen, der über die gewährte ambulante Einzelbetreuung als Leistung der Erziehungsbeistandschaft nach § 30 SGB VIII hinausgehe.

Aus dem Bericht des Allgemeinen So...

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