Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Wege einstweiligen Rechtsschutzes: Anordnungsgrund für einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum. Eilantrag bezüglich eines rechtskräftig abgeschlossenen Vergleichs. Vollstreckung eines Überprüfungsvergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Eilverfahren setzt voraus, dass ein offenes Hauptsacheverfahren vorhanden ist. Hierzu ist der Streitgegenstand zunächst zu ermitteln.

2. Für abgelaufene Bewilligungszeiträume besteht regelmäßig kein Anordnungsgrund mehr.

3. Bei einem Eilantrag bezüglich eines rechtskräftig abgeschlossenen Vergleichs ist auf einen sachdienlichen Antrag hinzuwirken. Naheliegend ist, einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds anzunehmen, wenn die Behörde ihren Pflichten aus dem Vergleich nicht nachkommt.

4. Erkennt ein erstinstanzliches Gericht nicht, welcher Antrag sachdienlich ist und entscheidet es ohne Rückkoppelung mit einem nicht vertretenen Kläger über einen unzulässigen Antrag, wenn ein anderer Antrag zulässig wäre, kann nach § 159 Abs. 1 Nr 1 SGG zurückverwiesen werden.

5. Eine Vollstreckung aus einem Überprüfungsvergleich erfolgt mittels Festsetzung von Zwangsgeld, wenn die Behörde keinen neuen Bescheid erlassen will. Soll die Behörde im Überprüfungsvergleich nur unter bestimmten Bedingungen, z.B. Mitwirkungshandlungen eines Leistungsberechtigten, zur Neubescheidung verpflichtet sein, müssen die Mitwirkungshandlungen so genau festgelegt sein, dass sie in der Vollstreckungsklausel eindeutig beschrieben werden können.

6. Ein Überprüfungsvergleich muss den Zeitraum bestimmen, über den die Behörde entscheiden muss.

7. Wird im Rahmen eines Vergleichs nicht darauf hingewiesen, dass für den Zeitraum, der nach dem Ende des Vergleichs beginnt, ein Folgeantrag zu stellen ist, wird die Antragstellung über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg betreffend die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis einschließlich 31. Mai 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit an die beim Sozialgericht Augsburg für den Vollzug des Vergleiches der 15. Kammer vom 28. Juni 2013 zuständige Kammer des Sozialgerichts Augsburg zurückverwiesen.

II. Für die Zeit vom 13. September 2011 bis einschließlich 30. November 2012 (berichtigt mit Beschluss vom 01.07.2014) wird die Beschwerde zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind insoweit nicht zu erstatten.

III. Für die Zeit ab 1. Juni 2013 wird der Beschluss des Sozialgerichts dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller und Beschwerdeführer ab 1. August 2014 Leistungen in Höhe des Regelbedarfs für einen Alleinstehenden abzüglich 30 % vorläufig bewilligt werden bis zur Entscheidung des Antragsgegners und Beschwerdegegners über den offenen Antrag vom 1. Juni 2013. Im Übrigen wird die Beschwerde insoweit zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind insoweit nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 14.01.2014 beantragte der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.), den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg.) im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II für die Zeit ab September 2011 zu bewilligen.

Der Bf. beantragte erstmals am 13.09.2011 Leistungen nach dem SGB II beim Bg.

Über diesen Antrag hat der Bg. bislang offensichtlich nicht entschieden, da der Bf. damals ankündigte, er beabsichtige, eine eigene Wohnung zu nehmen und dann wieder zu kommen, was nicht geschah.

Am 18.12.2012 stellte der Bf. erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Er lebe in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 09.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.02.2013 abgelehnt. Der Bf. habe die angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt. Mangels Mitwirkung des Bf. würden Leistungen gemäß § 66 SGB I für die Zeit vom 01.12.2012 bis einschließlich 31.05.2013 versagt.

Am Ende des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2013 wies der Bg. darauf hin, dass die Unterlagen auch bezüglich der Zeit vor dem 01.12.2011 nicht vorgelegt worden seien und deshalb die Ablehnung des Antrags beabsichtigt sei. Jedoch wurde über den Antrag bislang noch nicht entschieden.

Eine Belehrung darüber, dass der Bf. für die Zeit ab 01.06.2013 erneut einen Antrag stellen müsse, enthielt der Bescheid nicht.

Das folgende Klageverfahren hiergegen vor dem Sozialgericht Augsburg endete durch einen von der Vorsitzenden der 15. Kammer schriftlich vorgeschlagenen Vergleich, den zunächst der Bg und dann mit Schreiben vom 17.07.2013 der damals für den Bf. tätig werdende Betreuer annahm. Der Vergleich lautet:

I. "Der Beklagte listet die vom Kläger selbst beizubringenden Unterlagen auf und setzt dem Kläger eine angemessene Frist zur Vorlage dieser Unterlagen (§ 60 Abs. 1 SGB I).

II. Der Beklagte wendet sich bezüglich der die Ehefrau des Klägers betreffenden Unterlagen unmittelbar an die Ehefrau (§ 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II).

III. Sobald alle Unterlage...

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