Entscheidungsstichwort (Thema)

Datenschutz und Überweisungsvermerk

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn im einstweiligen Rechtsschutz das Unterlassen künftiger Eingriffe in das nach § 35 SGB I bestehende Recht auf Schutz des Sozialgeheimnisses geltend gemacht wird, ist eine Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG statthaft.

Die Mitteilung des regelmäßigen Bezugs von Sozialleistungen im Überweisungsvermerk ist als Einzelangabe über die persönlichen Verhältnisse einer bestimmten Person eine Übermittlung von Sozialdaten nach § 67 SGB X.

Nach § 42 SGB II werden Geldleistungen nach SGB II regelmäßig auf ein Konto überwiesen. Bei einer Überweisung besteht eine Übermittlungsbefugnis nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X für die Angabe der Kundennummer nach § 51a SGB II und die Bezeichnung der leistenden Behörde im Überweisungsvermerk.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 27. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob der Antragsgegner vorläufig verpflichtet ist, Arbeitslosengeld II "anonymisiert" an die Bank des Antragstellers zu überweisen.

Der 1966 geborene Antragsteller bezieht vom Antragsgegner laufend Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Antragsteller wies den Antragsgegner Anfang Februar 2011 darauf hin, dass der seit 2011 übliche Überweisungsvermerk "Bundesagentur für Arbeit" mit Angabe der Nummer der Bedarfsgemeinschaft (BG-Nummer) rechtswidrig sei und zu anonymisieren sei. Der Antragsgegner teilte daraufhin mit, dass er auf die Angabe "Bundesagentur für Arbeit" keinen Einfluss nehmen könne. Der Antragsteller setzte dem Antragsgegner sodann für die Anonymisierung des Überweisungsvorgangs eine Frist zum 31.03.2011. Mit Schreiben vom 09.03.2011 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass die Leistung künftig bar ausgezahlt werden könne. Der Antragsteller forderte daraufhin eine Unterlassungserklärung für den Überweisungsvermerk bis 10.04.2011.

Am 12.04.2011 erhob der Kläger eine Unterlassungsklage und stellte zugleich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Antragsgegner solle es unterlassen, seiner Bank Kenntnis vom Leistungsbezug und der BG-Nummer zu geben. Die Herkunftsbezeichnung sei zu anonymisieren und die BG-Nummer durch eine "neutrale" Nummer zu ersetzen. Mit Beschluss vom 27.05.2011 wies das Sozialgericht München den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Der Antrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig. Der Antragsgegner habe angeboten, die Leistungen künftig bar auszuzahlen. Die Barauszahlung sei aus Sicht des Gerichts das einzig wirksame Instrument dagegen, dass Mitarbeiter des Geldinstituts des Antragstellers Kenntnis vom Leistungsbezug erhalten könnten. Unbare Zahlungen könnten in jedem Fall von der Bank zum Antragsgegner zurückverfolgt werden. Im Übrigen fehle es auch an einem Anordnungsanspruch und an einem Anordnungsgrund.

Am 03.06.2011 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Barzahlungen seien keineswegs einfacher. Barauszahlungen an Millionen von Arbeitslosen würden zu einem Zusammenbruch der Behörden führen. Der Antragsgegner sei von Amts wegen verpflichtet, das Sozialgeheimnis aller Leistungsempfänger zu wahren.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts München vom 27.05.2011 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller Arbeitslosengeld II ohne Offenbarung der BG-Nummer und unter Anonymisierung des Überweisungstextes "Bundesagentur für Arbeit" zu überweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner trägt vor, dass das Sozialgeheimnis mit der gegenwärtigen Überweisungspraxis hinreichend geschützt sei.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat.

Der Antragsteller begehrt eine Änderung des Überweisungsvermerkes dahingehend, dass die BG-Nummer nicht offenbart wird und der Überweisungstext "Bundesagentur für Arbeit" anonymisiert wird. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat der Antragsteller einen Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten vom Leistungsträger nicht unbefugt erhoben, bearbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis). Er macht im Ergebnis geltend, dass dieser Anspruch auf Schutz seiner Sozialdaten durch künftige Überweisungen verletzt wird.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht eine sog. Sicherungsanordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn kein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt und die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Mit der Sicherungsanordnung sollen bestehe...

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