Vollkasko: Versicherung muss grob fahrlässig verursachten Schaden

Der Mieter eines Kraftfahrzeuges darf darauf vertrauen, dass eine vereinbarte Haftungsreduzierung nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung dem Schutz einer marktüblich abgeschlossenen Versicherung entspricht. Der Versicherer darf dann nicht den Einwand der grober Fahrlässigkeit nach § 81 Abs. 2 VVG geltend machen.

Der Beklagte hatte bei einer Mietwagenfirma einen LKW gemietet und, wie der Sachverhalt zeigt, kein sehr gutes Augenmaß.

Als Vollkaskoversicherung bezeichnete Haftungsbefreiung vereinbart

In dem Mietvertrag vereinbarten die Parteien unter anderem Folgendes: „Wird eine Haftungsbefreiung gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgeltes vereinbart, so stellt der Vermieter den Mieter nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung mit nachfolgender Selbstbeteiligung zuzüglich einer Kostenpauschale von 29,50 Euro für Schäden am Mietfahrzeug frei.“ Die Selbstbeteiligung der vereinbarten Haftungsbefreiung lag vorliegend bei 750 EUR.

Mietwagen zu hoch die Unterführung

Mit dem 3,60 Meter hohen gemieteten Lkw versuchte der Beklagte eine nur 2,40 Meter hohe Unterführung zu durchfahren und blieb stecken. Der Fahrer verweigerte die Zahlung des entstandenen Schadens in Höhe von 12.000 EUR aufgrund des vereinbarten Haftungsausschlusses. Zudem beteuerte er, als unerfahrener LKW-Fahrer das vorhandene warnende Verkehrszeichen vor der Unterführung wegen einbrechender Dunkelheit übersehen zu haben.

Nach Auffassung der Mietwagenfirma könne sich der Fahrer jedoch nicht auf die vereinbarte Haftungsbefreiung berufen, denn er habe den Schaden grob fahrlässig verursacht. Gem. § 81 Abs. 2 VVG sei er aufgrund der Schwere des Verschuldens sogar verpflichtet, den Schaden in voller Höhe zu begleichen.

Beklagter durfte auf marktübliche Konditionen vertrauen

Das vom Mietwagenunternehmen angerufene LG München folgte jedoch der Auffassung des Beklagten und wies die Klage als unbegründet zurück. Die vorliegend vereinbarte Haftungsbefreiung gemäß den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung beinhalte üblicherweise bei allen großen Versicherungsunternehmen auch den Verzicht auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit gem. § 81 Abs. 2 VVG.

Eine hierzu vom Gericht eingeholte Auskunft bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bestätigte dies. Mit Ausnahme von Alkoholfahrten und Diebstahl verzichten Versicherungen seit Jahren darauf, grob fahrlässig verursachte Schaden vom Versicherungsschutz auszunehmen. Der Fahrer durfte also zu Recht erwarten, dass der Kläger ihm in seinem Vertrag einen üblichen Versicherungsschutz angeboten hat.

(LG München I, Urteil v. 13.7.2012, 12 O 21256/11).

Exkurs: Versicherungsschutz bei grober Fahrlässigkeit

Vor Inkrafttreten des neuen Versicherungsvertragsgesetz VVG waren Schäden, die der Versicherungsnehmer durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hat, vom Kaskoversicherungsschutz komplett ausgenommen. Seit Anfang 2008 gilt jedoch das verbraucherfreundlichere neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG):

Der Versicherer muss sich seither gem. § 81 Abs. 2 VVG am Schaden auch bei grober Fahrlässigkeit zumindest beteiligen – und zwar anteilig je nach dem Grad des Verschuldens (z.B. Überfahren einer roten Ampel führt zu einer Kostenbeteiligung von 50%). Mittlerweile ist es bei KFZ-Versicherungen üblich, gegen einen höheren Jahresbeitrag, den Einwand der groben Fahrlässigkeit auszuschließen, so dass allumfassender Versicherungsschutz gewährt wird (mit Ausnahme von Alkoholfahrten und Diebstahl).