Seit 1.1.2020 neue Universalschlichtungsstelle des Bundes für Verbraucher
Für Verbraucher*innen soll die neue Universalschlichtungsstelle die Möglichkeit schaffen, Streitigkeiten mit Unternehmen ohne größeren Aufwand und langwierige Gerichtsverfahren im Verhandlungswege beizulegen. Dazu wurde der in Kehl ansässige eingetragene Verein „Zentrum für Schlichtung e.V.“ beginnend mit dem 1.1.2020 zunächst auf die Dauer von vier Jahren mit der Aufgabe der Universalschlichtungsstelle des Bundes beliehen.
Verbraucherschlichtung: Steigende Fallzahlen bei sektorspezifischen Schlichtungsstellen
Konzipiert ist die Universalschlichtungsstelle als Auffangschlichtungsstelle für alle Verfahren, für die keine fachspezifischen Schlichtungsstellen zur Verfügung stehen wie beispielsweise
- die Bundesbeschwerdestelle beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken,
- die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, die Schlichtungsstelle Energie, die Schlichtungsstelle Telekommunikation der Bundesnetzagentur sowie die Schlichtungsstelle der Versicherungen (Ombudsmann)
- und nicht zuletzt die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft.
Insgesamt haben die 26 bundesweit bereits existierenden sektorspezifischen Schlichtungsstellen nach Mitteilung des Bundesamtes für Justiz im Jahr 2018 ca. 80.000 Fälle bearbeitet nach knapp 69.000 Fällen im Jahr 2017. Mit Hilfe der Universalschlichtungsstelle soll die Fallzahl nun deutlich erhöht werden.
Rechtsgrundlagen für außergerichtliche Schlichtung ist das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz
Die Einrichtung beruht auf der am 9.1.2016 in Kraft getreten EU-Verordnung Nr. 524/2013, die die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten insbesondere mit Onlinehändlern regelt sowie auf der „Richtlinie über alternative Streitbeilegung für Verbraucher“ (EU-Richtlinie 2013/11/EU).
Letzter verpflichtet die Mitgliedstaaten, Verbrauchen bei Streitigkeiten mit Unternehmern außergerichtliche Streitbeilegungsstellen zur Verfügung zu stellen.
Auf Grundlage des seit Oktober 2019 geltenden § 29 Abs. 1 des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) wurde die Universalschlichtungsstelle in Kehl nun eröffnet. Die Einzelheiten über die Organisation und das Verfahren der Universalschlichtungsstelle werden durch eine Rechtsverordnung auf der Grundlage des § 42 Abs. 2 VSBG geregelt.
Schlichtung ist bedeutsam für stationären und für Online-Handel
Mit der Universalschlichtungsstelle soll die Kultur der außergerichtlichen Streitbeilegung zwischen Verbrauchern und Unternehmern weiter verfestigt werden. Ein wichtiger, bisher nicht abgedeckter Schlichtungssektor ist der Handel, und zwar sowohl der stationäre als auch der Onlinehandel. Für die Rücksendung beispielsweise beschädigter Artikel im Onlinehandel oder Probleme bei der Bezahlung existierte bisher keine spezielle Schlichtung.
Besondere Zuständigkeit für beendete Musterfeststellungsverfahren
Eine wichtige Zuständigkeitszuweisung erfährt die Universalschlichtungsstelle dadurch, dass sie für sämtliche Streitigkeiten im Nachgang eines Musterfeststellungsverfahrens zuständig ist. Damit könnte die Universalschlichtungsstelle für Verbraucher, die sich der Musterfeststellungsklage gegen VW beim OLG Braunschweig angeschlossen haben, noch eine erhebliche Bedeutung erhalten. Sollte es dort nicht zu einem Vergleich kommen und das OLG durch Urteil entscheiden, könnten die beteiligten Verbraucher die Höhe ihrer Ersatzansprüche gegen VW gegebenenfalls mit Hilfe der Universalschlichtungsstelle klären.
Wertobergrenze der Schlichtungsstelle liegt bei 50.000 Euro
Das Schlichtungsverfahren selbst ist auch auf Verfahren mit höheren Schadenssummen ausgelegt. Die Obergrenze für die Anrufung der Universalschlichtungsstelle wurde auf 50.000 Euro festgesetzt.
Achillessehne aus Sicht der Verbraucher: Freiwilligkeit für Unternehmen
Die von Verbraucherschützern heftig kritisierte Achillessehne der Universaschlichtungsstelle liegt darin, dass die Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren für Unternehmer freiwillig ist. Unternehmer können also die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens jederzeit blockieren. In diesem Fall bleibt dann doch nur der Weg zu den Gerichten. Allerdings müssen Unternehmer die Kunden - beispielsweise in ihren AGB oder in ihrem Internetauftritt - darüber informieren, ob sie bereit sind, an Schlichtungsverfahren teilzunehmen. Leider verweigern bisher einige größere Online-Händler wie Amazon oder Zalando die Beteiligung an Schlichtungsverfahren.
Niedrigschwellige Verfahrensgestaltung
Die Vorgehensweise für Verbraucher, die ein Schlichtungsverfahren anstreben, ist einfach gestaltet. Die Universalschlichtungsstelle bietet online ein Beschwerdeformular an, das vom Verbraucher ausgefüllt und dann einfach zur Schlichtungsstelle gesandt wird (www.verbraucher-schlichter.de). Darüber hinaus kann der Antrag per Post, per Fax oder per E-Mail gestellt werden, § 11 VSBG. Voraussetzung für den Antrag ist allerdings, dass
- der Verbraucher zuvor mit dem Unternehmen Kontakt aufgenommen und seine Ansprüche erfolglos geltend gemacht hat
- und sein Begehren nicht offensichtlich unbegründet oder mutwillig ist, §§ 14 Abs. 1 Nr. 2, 3 VSBG.
Das Verfahren selbst wird in aller Regel schriftlich durchgeführt. Gemäß § 13 VSBG haben die Parteien das Recht, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
Schlichtungsverfahren endet mit rechtlich begründetem Einigungsvorschlag
Kommt es im Verfahren zu keiner Einigung der Parteien, unterbreitet die Schlichtungsstelle ihrerseits einen Einigungsvorschlag. Dieser beruht auf einer rechtlichen Einschätzung durch die Schlichtungsstelle unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage, d.h. nicht unbedingt auf einer strikten Gesetzesanwendung. Die rechtliche Begründung ist in dem Einigungsvorschlag enthalten.
Schlichtung soll schnell und für Verbraucher kostenfrei erfolgen
Die beiden wichtigsten Vorteile des Schlichtungsverfahrens gegenüber einem Gerichtsprozess für Verbraucher sind: Das Verfahren kostet den Verbraucher nichts, Unternehmer zahlen streitwertabhängig zwischen 50 und 800 Euro.
Die Laufzeit der Schlichtungsverfahren ist kurz. Gemäß § 14 VSBG soll das Verfahren grundsätzlich innerhalb von 90 Tagen nach Vorliegen der vollständigen Beschwerdeakte (Eingang sämtlicher erforderlicher Unterlagen und Stellungnahmen beider Parteien) beendet sein.
Fazit: Sollte die Universalschlichtungsstelle das Ziel einer deutlichen Steigerung der Fallzahlen der außergerichtlichen Streitbeilegungen in Deutschland erreichen, so würde hiermit die Streitkultur in Deutschland - zumal in Anbetracht der immer länger dauernden Gerichtsverfahtren - um eine sinnvolle, wenn auch etwas zahnlose Variante bereichert.
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Hintergrund: Verbraucherschlichtung mit steigenden Zahlen
Auf der Grundlage des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) zur Umsetzung der EU-Richtlinie über alternative Streitbeilegung gibt es sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen bei Streitigkeiten aus allen Verbraucherverträgen lückenlos die Möglichkeit für eine außergerichtliche Streitschlichtung .
Die Zahlen der Schlichtungsstellen zeigen, dass die Verbraucher die nichtgerichtliche Streitbeilegung zunehmend in Anspruch nehmen. In der Regel ist die Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren für beide Seiten freiwillig, lediglich wenige Branchen sind gesetzlich zur Teilnahme verpflichtet, etwa Energieversorger und Luftfahrtunternehmen.
Für Verbraucher ist die Schlichtung grundsätzlich kostenfrei und schneller als der Weg zum Gericht, da die Verfahrensbeteiligten nach rund 90 Tagen einen Schlichtungsvorschlag erhalten. Dies ist weitaus zügiger als ein Verfahren vor dem Amtsgericht, das im Schnitt mindestens mehrere Monate dauert.
Seit Februar 2017 können sich Verbraucher schnell darüber informieren, ob Unternehmen sich an Schlichtungsverfahren beteiligen. Seitdem sind alle Unternehmen, die eine Webseite haben oder AGB verwenden, verpflichtet mitzuteilen, ob sie an einer außergerichtlichen Verbraucherschlichtung teilnehmen oder nicht. Sie müssen darüber auf ihrer Webseite und in ihren AGB klar und verständlich informieren und die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle benennen. Ausgenommen von der Informationspflicht sind Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten.
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