Leistungspflicht der Betriebsschließungsversicherung bei Corona?

Müssen Betriebsschließungsversicherungen bei coronabedingten Ausfällen leisten? Die Antwort auf die Frage hängt eng mit der Auslegung des Infektionsschutzgesetzes zusammen. Das OLG Hamm verneinte dies im Fall einer Gastwirtin, die ihren Betrieb wegen Corona schließen musste.

Die Inhaberin einer Gaststätte wollte ihre Betriebsschließungsversicherung auf Versicherungsschutz in Anspruch nehmen, weil sie die Lokalität aufgrund des Corona-Ausbruchs schließen musste und deshalb massive Umsatzausfälle zu beklagen hatte.

Versicherungsvertrag wurde vor der Verordnung über Ausdehnung der Meldepflicht auf Corona geschlossen

Den Versicherungsvertrag hatte die Betreiberin der Gaststätte abgeschlossen, bevor die Änderung des Infektionsschutzgesetzes in Kraft getreten war (23. Mai 2020) und auch vor der Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht vom 30. Januar 2020.

Wegen der Folgen der Schließung ihres Betriebes verlangte die Klägerin von der beklagten Versicherung mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einen Betrag von fast 27.000 Euro aus diesem Vertragsverhältnis.

Das Landgericht Essen hatte den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Hamm blieb ebenfalls ohne Erfolg. Es bestehe kein Anspruch auf Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung, urteilte das OLG.

Andere Gerichte haben zur Leistungspflicht betrieblicher Versicherungen anders entschieden

Damit nimmt das Gericht eine andere Position bei der Auslegung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ein als das Landgericht Mannheim, das jüngst in einem Urteil dem Betreiber von drei Hotels grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung zugestand (LG Mannheim, Urteil v. 20.04.2020, 11 O 66/20).

OLG: Aufzählung versicherter Krankheiten und Erreger in Versicherungsbedingungen abschließend

Die Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger in Teil B Nr. 8.2.2 der vereinbarten Bedingungen sei abschließend, entschied das OLG. In den Versicherungsbedingungen fand sich folgender Wortlaut: „nur die im Folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6 und 7 IfSG)“ und die anschließende ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern mache dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass der Versicherer nur für die benannten, für ihn einschätzbaren Risiken einstehen wolle.

Hinweis auf IfSG führt zu keiner Erweiterung des Versicherungsschutzes

Der Hinweis „vgl. §§ 6 und 7 IfSG“ könne vor diesem Hintergrund nicht dahin gehend verstanden werden, dass der Versicherer auch für eine spätere – hier nach Auffassung der Antragstellerin erfolgte – Erweiterung des Gesetzes Versicherungsschutz gewähren würde. Der Klammerzusatz (vgl. §§ 6 und 7 IfSG) rechtfertigt bei diesem Wortlaut keine Auslegung, dass dynamisch (auch) auf eine spätere Änderung des Infektionsschutzgesetzes verwiesen werde, so das OLG. An dieser Auslegung ändere auch die Tatsache nichts, dass ein Versicherungsnehmer selbstverständlich an einem umfassenden Versicherungsschutz interessiert sei.

(OLG Hamm, Beschluss v. 15.07.2020, 20 W 21/20).

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Nach anderer Ansicht ist COVID-19 ein meldepflichtiger Krankheitserreger gemäß §§ 6, 7 IfSG, auch wenn dieser erst nach Auftreten der Pandemie im Februar 2020 in das IfSG aufgenommen wurde, weil die Generalklausel des § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG, wonach sämtliche unbekannten, meldepflichtigen und bedrohlichen übertragbaren Krankheiten vom Gesetz erfasst würden.

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