Vereinfachte Anfechtung von Zahlungen an Gesellschafter in der Insolvenz
Hintergrund
Kläger war der Insolvenzverwalter einer insolventen GmbH. Die Beklagte war eine Schwestergesellschaft der GmbH (beide wurden zu 100 % von der gleichen Muttergesellschaft gehalten) und hatte Ende 2008 Dienstleistungen für die GmbH erbracht. Dafür stand der Beklagten ein Vergütungsanspruch in Höhe von etwa 30.000 EUR zu. Diese Vergütung zahlte die GmbH erst Mitte 2009 ca. ein halbes Jahr bevor Ende 2009 Insolvenzantrag gestellt wurde.
Der Kläger verlangte von der Beklagten die Rückzahlung der 30.000 EUR aufgrund Insolvenzanfechtung.
Das Urteil des BGH vom 11.07.2019, Az. IX ZR 210/18
Der BGH gab der Klage statt. Denn die Zahlung auf den Vergütungsanspruch stelle die Rückzahlung einer „darlehensgleichen Forderungen“ an einen Gesellschafter bzw. diesem gleichgestellten Dritten dar. Und eine solche ist unter den (vereinfachten) Voraussetzungen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Zwar sei die Beklagte nicht unmittelbar Gesellschafterin der Schuldnerin, allerdings sei es ausreichend, wenn verbundene Unternehmen vorliegen und die Darlehensgewährung wirtschaftlich der Gesellschafterin zuzuordnen ist. Aufgrund der gemeinsamen Muttergesellschaft liege eine solche Situation hier vor.
Die Zahlung des Vergütungsanspruchs im Juli 2009 sei ebenso als Befriedigung einer „darlehensgleichen Forderung“ einzuordnen. Denn die zugrundeliegenden Dienstleistungen wurden bereits Ende 2008 erbracht, so dass der Vergütungsanspruch ebenfalls Ende 2008 fällig war. Die – faktische oder vereinbarte – Stundung für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten, führe dazu, dass der Forderung eine Finanzierungsfunktion gleich eines Darlehens zukomme. Da die Zahlung innerhalb der letzten 12 Monate vor Stellung des Insolvenzantrags erfolgte, konnte der Kläger diese anfechten.
Anmerkung
§ 135 Insolvenzordnung sieht vor, dass Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen oder diesen gleichgestellte (darlehensgleiche) Forderungen, die innerhalb der letzten 12 Monate vor Stellung eines Insolvenzantrags erfolgt sind, vom Insolvenzverwalter angefochten und zurückgefordert werden können.
Die Entscheidung des BGH schafft weitere Klarheit in einer Fallvariante und zwar der Stundung von Drittforderungen, die einem Gesellschafter oder diesem Gleichgestellten zustehen. Zwar ist bereits seit langem allgemein anerkannt, dass eine (faktische oder vereinbarte) Stundung von Zahlungsansprüchen zur Einstufung als „darlehensgleiche Forderung“ führt. Anlass zur Diskussion bestand gleichwohl. Denn unklar war, ab welcher Dauer eine Stundung dazu führt, dass nicht mehr das ursprüngliche Austauschgeschäft im Vordergrund steht, sondern die Finanzierungsfunktion, mit der Folge, dass die Forderung als „darlehensgleich“ einzustufen ist. Z.T. wurde davon ausgegangen, dass bereits eine Stundung oder auch eine ursprüngliche Fälligkeitsvereinbarung von mehr als 30 Tagen hierzu ausreiche.
Der BGH hat nun festgehalten, dass nicht jede Stundung über eine übliche Zahlungsfrist von 30 Tagen hinaus zu einer Einstufung als darlehensgleich führt. Vielmehr soll in der Regel erst eine Stundung von mehr als drei Monaten nicht mehr verkehrsüblich sein und dazu führen, dass auch bei einem ursprünglichen Austauschgeschäft der Finanzierungscharakter in den Vordergrund rückt.
Die Entscheidung dürfte vor allem für verbundene Unternehmen von Bedeutung sein. Denn die Erbringung von Leistungen untereinander ist in einer Unternehmensgruppe häufig. Will man in der Insolvenz eines verbunden Unternehmens verhindern, dass Zahlungen auf Forderungen aus ganz gewöhnlichen Austauschgeschäften unter den vereinfachten Voraussetzungen der Anfechtung von Gesellschafterdarlehen zurückgeholt werden, sollte darauf geachtet werden, dass solche Forderungen nicht zumindest länger als drei Monate gestundet werden. Der BGH hat sich durch den Vorbehalt, dass dies in der Regel gelte, die Möglichkeit offen gehalten, im Einzelfall auch anders zu entscheiden.
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