Haftung des Geschäftsführers für Geschäftsmodell
Hintergrund: Mit-Geschäftsführer war für Bereich verantwortlich
Der Kläger verkaufte seine Lebensversicherung an eine GmbH, wobei der dafür vereinbarte Kaufpreis für acht Jahre gestundet wurde. Wegen dieser Stundung war das Geschäft als Einlagengeschäft nach dem Kreditwesengesetz (KWG) zu qualifizieren, wofür die Gesellschaft einer Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bedurft hätte. Eine derartige Erlaubnis besaß die Gesellschaft jedoch nicht, obwohl es sich bei dem Ankauf von Lebensversicherungen mit Stundungsabrede um ein praktiziertes Geschäftsmodell der GmbH handelte. Als die Gesellschaft insolvent wurde, machte der Kläger wegen seines Zahlungsausfalls gegenüber dem damaligen Geschäftsführer Schadenersatzansprüche geltend. Der Geschäftsführer wandte ein, dass aufgrund der Ressortverteilung nicht er, sondern sein Mit-Geschäftsführer für den Bereich „Ankauf von Lebensversicherungen“ zuständig gewesen sei. Ihn treffe daher gegenüber dem Kläger keine Haftung. Er habe zudem „vor Aufnahme des Geschäftsmodells“ umfassenden Rechtsrat mit dem Ergebnis eingeholt, es handele sich um kein KWG-Geschäft.
Die Klage gegen den Geschäftsführer war sowohl erstinstanzlich als auch in der Berufungsinstanz erfolgreich.
Urteil des OLG Frankfurt a.M. v. 16.10.2016, Az.: 10 U 64/16
Die Verurteilung des Geschäftsführers begründete das Gericht wie folgt: Die anderweitige Ressortverteilung habe den Geschäftsführer nicht von seiner Verantwortlichkeit entbunden, das Geschäftsmodell vor dessen Aufnahme auf etwaige Erlaubniserfordernisse zu prüfen. Dazu sei er nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG verpflichtet gewesen.
Den Einwand des Geschäftsführers, er habe „vor Aufnahme des Geschäftsmodells“ bei einer Anwaltskanzlei umfassenden Rechtsrat eingeholt, sah das Gericht grundsätzlich als rechtlich erheblich an. Im konkreten Fall hatte der Geschäftsführer seine Behauptung jedoch nicht hinreichend konkretisiert, weshalb das Gericht sein Vorbringen als unsubstantiiert zurückwies. Außerdem meinte das OLG, aus einem anderen, gegen eine Schwestergesellschaft geführten Verfahren sei dem Senat bekannt, dass die Anwaltskanzlei, deren Rechtsrat der Beklagte nach seiner Behauptung eingeholt habe, die Geschäftsführung der Schwestergesellschaft darauf hingewiesen habe, dass jede Veränderung der Vertragsgestaltung eine Erlaubnispflicht begründen könne. Insgesamt könne der beklagte Geschäftsführer daher nicht einwenden, er sei unverschuldet einem Rechtsirrtum erlegen.
Anmerkung: Geschäftsführer grundsätzlich im Ganzen für die Geschäfte der Gesellschaft verantwortlich
Das Urteil zeigt richtigerweise, dass die Sorgfaltspflicht eines Geschäftsführers nicht auf „sein“ Ressort beschränkt ist. Er muss sich auch vergewissern, ob die in den anderen Ressorts betriebenen Geschäfte zulässig sind, insbesondere ob die Gesellschaft über dafür erforderliche Erlaubnisse verfügt. Trotz einer Ressortverteilung bleiben nämlich sämtliche Geschäftsführer grundsätzlich im Ganzen für die Geschäfte der Gesellschaft verantwortlich. Vor einer Haftung kann er sich nur schützen, wenn er substantiiert darlegen und beweisen kann, dass er genau dieser Pflicht nachgekommen ist und sich (bzw. die Gesellschaft) ggf. von Fachleuten beraten ließ. Pauschale Behauptungen reichen hierfür nicht aus.
Interessant ist jedoch, dass das OLG (wenn auch nur im Rahmen einer ergänzenden Begründung) dem beklagten Geschäftsführer möglicherweise Kenntnisse zurechnet, die die Geschäftsführung einer Schwestergesellschaft aufgrund von anwaltlichen Hinweisen hatte, obwohl er selbst nicht Mitglied der Geschäftsführung dieser Schwestergesellschaft war. Wissen kann innerhalb eines Konzerns nicht allein aufgrund von Konzernierung zugerechnet werden, da es sich bei den Konzerngesellschaften um rechtlich selbstständige Gebilde handelt. Es bedarf darüber hinaus eines ausreichenden Zurechnungsgrunds, der von einer Einzelfallbetrachtung abhängt. Eine solche lässt das Gericht jedoch nicht erkennen. Denkbar ist allerdings auch, dass das OLG dem beklagten Geschäftsführer das Wissen der Geschäftsführung der Schwestergesellschaft gar nicht zurechnen, sondern nur seine Behauptung widerlegen wollte, das strittige Geschäftsmodell sei anwaltlich „abgesegnet“ worden. Denn wenn die gleiche Anwaltskanzlei der Geschäftsführung der Schwestergesellschaft „dringend“ empfahl, bei jeder Veränderung der Vertragsgestaltung vorab Rücksprache zu halten, ist es wenig glaubwürdig, dass der beklagte Geschäftsführer für das Geschäftsmodell „seiner“ GmbH eine pauschale Freigabe erhielt. Zur Vermeidung von Unklarheiten wäre eine ausführliche Begründung des OLG daher nicht nur wünschenswert, sondern auch zu erwarten gewesen.
Rechtsanwalt Gerhard Manz, Rechtsanwältin Julia Reinhardt, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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