Eigentümer haftet nicht für die Entnahme von elektrischer Energie durch den Pächter
Hintergrund
Der beklagte Eigentümer hatte das Grundstück zunächst von der früheren Eigentümerin erworben und später an seinen Sohn verpachtet. Der Pächter betrieb auf dem Grundstück eine Gaststätte und verbrauchte erhebliche Mengen an Strom, ohne dabei jemals eine Mitteilung an das klagende EVU zu machen oder mit diesem einen schriftlichen Vertrag abzuschließen. Das EVU ließ den Stromverbrauch auf dem betreffenden Grundstück regelmäßig ablesen und stellte die Verbräuche zunächst der ursprünglichen Eigentümerin in Rechnung. Diese verwerte sich gegen die Rechnungstellungen und teilte die Veräußerung des Grundstücks an den Beklagten mit. Diesem wiederum stellte das EVU nun im Dezember 2012 den gesamten Stromverbrauch für die Zeit von Februar 2008 bis November 2010 in Höhe von rund 33.000,00 EUR in Rechnung. Der Beklagte zahlte nicht, woraufhin das EVU klagte.
BGH, Urteil v. 2.7.2014, VIII ZR 316/13
Der BGH hat entschieden, dass dem klagenden Energieversorger kein Anspruch gegen den Eigentümer des Grundstücks aus der Stromlieferung an den Pächter zusteht. Die Auslegung des allgemeinen Vertragsangebots (sogenannte „Realofferte“), die das EVU durch das zur Verfügung stellen eines Niederspannungsanschlusses macht, ergibt, dass dieses stets an denjenigen gerichtet ist, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Stromanschluss hat. Dies war nach den Feststellungen der Instanzgerichte vorliegend der Pächter, so dass die rechtliche Betrachtung ergab, dass mit diesem und nicht mit dem Eigentümer ein Stromliefervertrag bestand.
Anmerkung
Die Entscheidung des BGH entspricht der allgemeinen Meinung in der Rechtsliteratur und ist bezüglich der Auslegung der Realofferte eines EVU zutreffend und nachvollziehbar. Sie betrifft allerdings in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht nur einen kleinen Ausschnitt der Fragen, die zu betrachten sind wenn es um den Vertragsschluss durch Stromentnahme geht.
Tatsächlich ist festzuhalten, dass die Verfügungsgewalt über den Stromanschluss maßgeblich ist und nicht der Abschluss eines Miet- oder Pachtvertrags. Gerade im Bereich der Grundversorgung von Haushaltskunden sind durchaus Sachverhalte denkbar, in denen der Eigentümer/Vermieter nach den Umständen derjenige ist, der die Verfügungsgewalt über den Stromanschluss ausübt. Auch im Bereich von Pachtverhältnissen mit Gewerbetreibenden gibt es Konstellationen (z.B. Unterpacht oder Konzessionierung), in denen der Verpächter und nicht der Pächter die tatsächliche Kontrolle über den Anschluss hat und nach dem Urteil des BGH Vertragspartner wird.
Rechtlich ist anzumerken, dass die Entscheidung des BGH allein die Frage betrifft, ob der Eigentümer als Vertragspartner die Bezahlung des durch einen Dritten verbrauchten Stroms schuldet. Der BGH hatte nicht zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Grundstückseigentümer und/oder der vorherige Anschlussnutzer dem EVU als Dritte haften können, zum Beispiel wenn sie im Bereich der Haushaltskundenversorgung gegen ihre Pflicht aus § 2 Abs. 2 StromGVV verletzen, dem Grundversorger den neuen Nutzer mitzuteilen (hierzu hat das OLG Nürnberg mit Urteil vom 23.05.2014 (2 U 2401/12) eine Haftung des Grundstückeigentümers angenommen, auch und gerade wenn dieser nicht selbst Vertragspartner wird). Auch dieses Verfahren liegt dem BGH zur Entscheidung vor (V ZR 313/13).
Praxistipp
Versorgern wie Stromkunden ist daher nach wie vor dringend anzuraten, Stromlieferverträge in Textform abzuschließen. Auch Grundstückseigentümer sollten sich nicht darauf verlassen, es werde stets nur der Mieter/Pächter Vertragspartner. Dies ist ebenso eine Frage des Einzelfalls wie die mögliche Haftung des Eigentümers bzw. vorherigen Anschlussnutzers für die Verbräuche eines Dritten.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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