GmbH: Wirksamer Zugang der Ladung zur Gesellschafterversammlung

Beruft die GmbH eine Gesellschafterversammlung ein und versendet sie das Ladungsschreiben an einen Gesellschafter unter Verwendung einer anderen als der mitgeteilten Adresse, muss sie den tatsächlichen Zugang beweisen.

Hintergrund

Die beklagte GmbH wollte zum 18. Dezember 2017 eine Gesellschafterversammlung einberufen, in der ihre Liquidation beschlossen werden sollte. Die Klägerin war Minderheitsgesellschafterin mit einer Beteiligung von 2,5% am Stammkapital der Gesellschaft. Die Geschäftsführung versandte die Ladung zur Gesellschafterversammlung mit Einwurf-Einschreiben vom 30. November 2017. Als Adresse der Klägerin gab sie eine Anschrift an, bei der sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte annahm, die Klägerin halte sich dort regelmäßig und dauerhaft auf. Es handelte sich um die Adresse des Lebensgefährten der Klägerin.

Das Ladungsschreiben wurde dem Lebensgefährten der Klägerin am 1. Dezember 2017 unstreitig zugestellt. Er sandte diese Postsendung allerdings am 5. Dezember 2017 ungeöffnet an die Beklagte zurück und teilte dieser mit, dass die Klägerin an der angegebenen Anschrift nicht wohne. Die Gesellschafterversammlung, auf der die Liquidation der Gesellschaft beschlossen wurde, fand am 18. Dezember 2017 ohne die Klägerin statt.

Gegen den gefassten Beschluss erhob die Klägerin Klage vor dem zuständigen Landgericht Potsdam. Sie war der Ansicht, dass sie nicht wirksam zur Versammlung geladen worden war. Sie behauptete, sie wohne an der angegeben Anschrift nicht und halte sich dort auch nicht dauerhaft auf. Die Beklagte hingegen behauptete (was unbewiesen blieb), dass der Briefkasten auch den Namen der Klägerin trage. Zudem sei die Klägerin des Öfteren an der Anschrift gesehen worden. Jedenfalls sei der Lebensgefährte als Empfangsbote der Gesellschafterin anzusehen, sodass die Ladung bereits mit Entgegennahme durch ihn der Gesellschafterin zugegangen sei. Im Streitverfahren konnte nicht festgestellt werden, ob der Lebensgefährte die Sendung persönlich in Empfang nahm oder ob diese von dem Postboten in den Briefkasten eingeworfen wurde.

Das Landgericht Potsdam wies die Anfechtungsklage gegen den Liquidationsbeschluss ab. Hiergegen legte die Klägerin Berufung zum OLG Brandenburg ein.

Das Urteil des OLG Brandenburg v. 8.7.2020 (7 U 64/19)

Die Berufung hatte Erfolg. Das OLG Brandenburg hat den Liquidationsbeschluss für nichtig erklärt, weil die Klägerin nicht ordnungsgemäß zur Versammlung geladen wurde. Die Ladung zur Gesellschafterversammlung wurde nicht an die Adresse versandt, die die Klägerin der Beklagten mitgeteilt hatte, sondern an die Adresse des Lebensgefährten. Damit kann sich die Gesellschaft nicht – wie dies sonst möglich gewesen wäre – auf die bloße Darlegung berufen, sie habe die Ladung rechtzeitig an die richtige Adresse abgeschickt. Sie trägt vielmehr in dieser Konstellation die volle Beweislast dafür, dass die Ladung auch tatsächlich zugestellt wurde. Diesen Beweis konnte die Gesellschaft aber nicht erbringen.

Die Gesellschaft konnte nämlich nicht beweisen, dass der Briefkasten den Namen der Klägerin trug. Ungeachtet dessen konnte sie auch nicht beweisen, dass die Ladung in den Briefkasten eingeworfen wurde. Selbst wenn der Lebensgefährte die Sendung in Empfang genommen hätte, stellte dies keine Zustellung bei der Klägerin dar, da der Lebensgefährte kein Empfangsbote der Gesellschafterin sei. Hierfür sei nämlich nach allgemeinen Grundsätzen erforderlich, dass sich die Klägerin auch dauerhaft in der Wohnung des Lebensgefährten aufhalte, was die Gesellschaft ebenfalls nicht beweisen konnte.

Anmerkung

Die gesetzlichen Vorschriften über GmbH-Gesellschafterversammlungen sowie das hierauf bezogene Beschlussanfechtungsverfahren sind streng formalisiert. Nicht nur aus diesem Grund ist es von besonderer Bedeutung, sämtliche Formalia und Fristen einzuhalten und bestmögliche Nachweise hierüber zu führen und im Hinblick auf mögliche Streitfälle aufzubewahren. Dies gilt im Hinblick auf jeden Gesellschafter gleichermaßen, sodass auch Minderheitsgesellschafter oder gar Kleinstgesellschafter mit einer Beteiligung von 2,5% durchaus einen unangenehmen Einfluss haben können.

Möchte die Gesellschaft eine Gesellschafterversammlung einberufen, muss das Ladungsschreiben an sämtliche Gesellschafter zugestellt werden. Andernfalls sind die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse – in entsprechender Anwendung der gesetzlichen Regelungen im Aktiengesetz – auch bei der GmbH nicht lediglich unwirksam, sondern von vorneherein nichtig. Für nichtige Beschlüsse gilt eine längere Anfechtungsfrist.

Für die ordnungsgemäße Ladung eines Gesellschafters reicht es aus, dass das Ladungsschreiben an dessen richtige Adresse versandt wird und dass hierbei die in der Satzung vorgesehene Ladungsform und die Ladungsfrist eingehalten werden. Die Gesellschaft muss den Zugang der Ladung beim Gesellschafter also nicht beweisen, sondern kann sich allein auf den Versand des Ladungsschreibens berufen. Die Gesellschaft muss also nur nachweisen, dass sie das Ladungsschreiben rechtzeitig versandt hat, wofür die Vorlage des Einlieferungsbelegs ausreicht. Diese Grundsätze gelten jedoch nur solange, wie die Gesellschaft das Ladungsschreiben an die von dem betreffenden Gesellschafter mitgeteilte Adresse versendet. Denn nur dann ist anzunehmen, dass das Ladungsschreiben den Gesellschafter auch grundsätzlich erreichen kann. Verwendet die Gesellschaft hingegen eine andere Adresse, von der sie glaubt, der Gesellschafter sei dort zu erreichen, kann sie sich nicht auf den Versand des Schreibens berufen, sondern muss den tatsächlichen Zugang beim Gesellschafter beweisen. Dieser Beweis ist deutlich schwerer zu führen.

In der Praxis ist daher zu empfehlen, dass die Gesellschafter bei der Gesellschaft zustellfähige Adressen hinterlegen und sich darüber hinaus gegenüber der Gesellschaft verpflichten, ihr jede Änderung der ladungsfähigen Anschrift unverzüglich mitzuteilen. Eine solche Regelung kann zum Beispiel in einer Gesellschaftervereinbarung enthalten sein. Gerade bei Venture-Capital-Finanzierungsrunden und vergleichbaren Konstellationen, die sich durch einen weiten und bisweilen recht heterogenen Gesellschafterkreis auszeichnen, hat sich dieses Vorgehen sehr bewährt. Besteht eine solche Verpflichtung nicht und hat die Gesellschaft ernstzunehmende Zweifel, ob die von dem Gesellschafter mitgeteilte Adresse noch dessen aktuelle Anschrift ist, kann sie den Gesellschafter zur Bestätigung bzw. Mitteilung der aktuellen Adresse auffordern. Kommt dieser der Aufforderung nicht nach, verletzt er damit seine eigenen Obliegenheiten, sodass eine an die bisher bekannte Anschrift versandte Ladung seine ordnungsgemäße Einberufung zur Gesellschafterversammlung bewirkt.

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