Nichtigkeit eines Anteilseinziehungsbeschlusses: Stille Reserven für Abfindungszahlung irrelevant
Hintergrund
Die Klägerin war Gesellschafterin der beklagten GmbH. Aufgrund der Verletzung von Gesellschafterpflichten beschloss die Gesellschafterversammlung die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin. Zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses stand jedoch bereits fest, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Kapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden könnte.
Nachdem zunächst nur ein Teilbetrag an die Klägerin gezahlt worden war, erhob diese vor dem LG Dresden Klage auf Zahlung eines weiteren, sechsstelligen Betrags. Das LG gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wies das OLG Dresden mit der Begründung ab, dass die Klägerin aufgrund ihres Ausscheidens Anspruch auf Zahlung des Einziehungsentgelts habe. Dass das freie Vermögen der GmbH zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses für die Zahlung des Einziehungsentgelts nicht ausgereicht habe, stehe der Wirksamkeit des Beschlusses nicht entgegen. So hätten unstreitig bestehende, die Höhe des Einziehungsentgelts übersteigende, stille Reserven aufgelöst werden können. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit der Revision zum BGH.
Das Urteil des BGH vom 26.06.2018, Az. II ZR 65/16
Die Revision war erfolgreich. Aus dem Einbeziehungsbeschluss könne sich dem BGH zufolge der geltend gemachte Abfindungsanspruch nicht ergeben, da der Beschluss in entsprechender Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG nichtig sei. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen bezüglich der Auflösung stiller Reserven sei mit den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30 Abs. 1, 34 Abs. 3 GmbHG nicht vereinbar.
Zur Begründung führte der BGH an, dass die §§ 30 Abs. 1, 34 Abs. 3 GmbHG primär dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dienten. Deshalb dürfe eine Auszahlung des Einziehungsentgelts nicht zur Entstehung einer Unterbilanz führen. Die bloße Möglichkeit der Auflösung stiller Reserven stehe einer hinreichenden Ausstattung der GmbH mit ungebundenem Vermögen nicht gleich. Auch eine subsidiäre Haftung der Mitgesellschafter komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da bei Beschlussfassung bereits feststand, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem Vermögen gezahlt werden konnte. Eine solche Konstellation habe in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 3 AktG die Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses zur Folge. Eine persönliche Haftung der Gesellschafter sei lediglich denkbar, wenn sich das Vermögen erst im Nachhinein als unzureichend für die Zahlung darstelle und der Beschluss daher wirksam sei.
Anmerkung
Die Einziehung von GmbH-Anteilen gehört, sofern sie nicht einvernehmlich erfolgt, zu den für einen Gesellschafter einschneidensten Maßnahmen. Dementsprechend hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Beschlussfassung. Die Zahlung eines Einziehungsentgelts steht hierbei in einem Spannungsverhältnis zu den Kapitalerhaltungsvorschriften der GmbH. So gehören letztere zu den grundlegenden Gläubigerschutzvorschriften des GmbHG. Das Vorhandensein von stillen Reserven, welche grundsätzlich aufgelöst werden könnten, kann in diesem Kontext nicht mit einer Ausstattung der Gesellschaft mit ungebundenem Vermögen gleichgesetzt werden. Denn Grundlage der Kapitalerhaltungsvorschriften ist ein strikt bilanzrechtlicher Ansatz.
Im Hinblick auf Beschlüsse, welche die Einziehung von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters zum Inhalt haben, muss daher stets geprüft werden, ob ausreichend freies Vermögen der Gesellschaft zur Zahlung des Einziehungsentgelts vorhanden ist. Ist dies bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht der Fall, droht die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses. Ergibt sich nachträglich, dass das Vermögen nicht ausreicht, droht unter Umständen eine Inanspruchnahme der übrigen Gesellschafter hierfür.
Rechtsanwälte Gerhard Manz und Jonas Laudahn, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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