Gerichtsstand bei Zahlungsansprüchen gegen Geschäftsführer aus § 64 Satz 1 GmbHG
Hintergrund: Zwei unterschiedliche Gerichtsbezirke
Ein Insolvenzverwalter klagte gegen die ehemaligen Geschäftsführer einer inzwischen insolventen GmbH. Noch vor der Stellung des Insolvenzantrags hatten die Geschäftsführer für die GmbH Zahlungen erbracht, obwohl die GmbH bereits zahlungsunfähig war. Für solche Zahlungen haften GmbH-Geschäftsführer in voller Höhe nach § 64 Satz 1 GmbHG. Der Insolvenzverwalter klagte daher gegen die Geschäftsführer. Dabei stellte sich die Schwierigkeit, dass die beiden Geschäftsführer in unterschiedlichen Gerichtsbezirken wohnten. Der Insolvenzverwalter beantragte daher beim OLG München die Bestimmung des zuständigen Gerichts.
Klage am Sitz der GmbH (Beschluss OLG München v. 18.05.2017, Az. 34 AR 80/17)
Das OLG München hat den Antrag des Insolvenzverwalters abgelehnt, weil eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht notwendig sei. Die Klage gegen die Geschäftsführer sei vielmehr am Sitz der GmbH zu führen.
Anmerkung: Wahlmöglichkeit beim Gerichtsstand
Die Haftung nach § 64 Satz 1 GmbHG ist nach wie vor ein scharfes Schwert in der Hand des Insolvenzverwalters einer GmbH. Dieser muss nur nachweisen, dass die Geschäftsführer nach objektivem Eintritt der Insolvenzreife (also Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ohne positive Fortführungsprognose) Zahlungen zu Lasten der GmbH veranlasst oder geduldet haben und schon haften die Geschäftsführer hierfür grundsätzlich. Dass einer der (dank der BGH-Rechtsprechung immer zahlreicheren) Ausnahmetatbestände erfüllt ist, in denen die Haftung nicht greift, muss der GmbH-Geschäftsführer darlegen und im Zweifel beweisen. Neben der entschuldigten Unkenntnis der Insolvenzreife (die nur in seltenen Ausnahmefällen eingreift, wenn vom Geschäftsführer beauftragte Sachverständige die Insolvenzreife fälschlicherweise verneint haben), sind Ausnahmen u.a. für die Zahlung von Lohnsteuer, dem Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherung, bei unmittelbarem Erhalt einer gleichwertigen Gegenleistung und Geschäften zur Vermeidung des sofortigen und unkontrollierten Zusammenbruchs anerkannt.
Die Entscheidung des OLG München erweitert diese weitgehende Haftung nun um einen prozessualen Aspekt. Geschäftsführer können wegen einer Haftung aus § 64 Satz 1 GmbHG stets (auch) vor dem für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gericht verklagt werden. Dies wird für Insolvenzverwalter besonders dann praktisch sein, wenn dieses Gericht zugleich das für seinen Sitz zuständige ist – bei der häufig noch lokalen Auswahl von Insolvenzverwaltern sicherlich kein seltener Fall. Zudem gibt es dem Insolvenzverwalter eine Wahlmöglichkeit, an welchem Gericht er den Geschäftsführer verklagen will, wenn dieser seinen allgemeinen Gerichtsstand (sprich Wohnort) an einem anderen Gericht hat. Im Hinblick auf leicht divergierende Rechtsauffassungen, vor allem aber sehr unterschiedliche Verfahrensdauern kann auch dies eine interessante Option sein.
Ob die Entscheidung des OLG München allerdings Bestand haben wird, ist noch offen. Denn das OLG München hat die Rechtsbeschwerde zur Frage des besonderen Gerichtsstands bei § 64 GmbHG zugelassen, so dass hierzu auch noch eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof ergehen könnte.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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