Ergänzung der Tagesordnung bei nicht börsennotierter AG

Tagesordnungspunkte für die Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft müssen bei gerichtlicher Ermächtigung so rechtzeitig bekannt gemacht werden, dass die Aktionäre ausreichend Zeit haben, um über ihre Teilnahme an der Hauptversammlung zu entscheiden.

Hintergrund: Bekanntmachung ergänzter Tagesordnung

Nach Einberufung der Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft verlangte ein Minderheitsaktionär die Aufnahme weiterer Tagesordnungspunkte. Nachdem der Vorstand der Aktiengesellschaft die Tagesordnung daraufhin nicht ergänzte, beantragte ein Minderheitsaktionär beim Amtsgericht erfolgreich die Ermächtigung zur Veröffentlichung der ergänzten Tagesordnung. Noch am Tag der gerichtlichen Entscheidung übermittelte der Minderheitsaktionär einen Auftrag an den Bundesanzeiger zur Bekanntmachung der ergänzten Tagesordnung. Diese wurde just an dem Tag veröffentlicht, der zugleich der letztmögliche Tag war, an dem sich die Aktionäre gemäß der Satzung zur Hauptversammlung anmelden konnten.

Die Beschlüsse zu den ergänzten Tagesordnungspunkten wurden daraufhin in der Hauptversammlung angenommen. Zwei Aktionäre erhoben gegen diese Beschlüsse Anfechtungsklage vor dem LG München. Sie stellten sich auf den Standpunkt, dass die Veröffentlichung im Bundesanzeiger zu spät erfolgt sei. Das LG München wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Bekanntmachung am letzten Tag der Anmeldefrist noch rechtzeitig sei. Einem Aktionär sei es zuzumuten, die Veröffentlichungen im Bundesanzeiger zeitnah zu verfolgen. Eine gesetzliche Fristenregelung bis wann ein Tagesordnungspunkt im Falle der gerichtlichen Ermächtigung bekanntzugeben sei, gäbe es nicht. Das Gesetz regele ausschließlich die unverzügliche Bekanntmachung durch den Vorstand selbst. Für die börsennotierte Aktiengesellschaft ergäbe sich durch richtlinienkonforme Auslegung, dass die Bekanntmachung vor dem Nachweisstichtag („Record Date“) zu erfolgen habe. Bei einer börsenfremden Aktiengesellschaft gälte diese Regelung gerade nicht.

Das Berufungsgericht OLG München hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und sich der Auffassung des LG München angeschlossen.

Mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter.

Das Urteil des BGH vom 14.07.2020 (Az. II ZR 255/18)

Der BGH schloss sich der Auffassung der Kläger an und erklärte die Beschlüsse zu den ergänzten Tagesordnungspunkten für nichtig. Eine Bekanntmachung der ergänzten Tagesordnung am letzten Tag, an dem eine Anmeldung zur Hauptversammlung möglich ist, sei verspätet. Die Aktionäre haben dann nicht mehr ausreichend Zeit, sich zu entscheiden, ob sie an der Hauptversammlung teilnehmen möchten oder nicht.

Praxishinweis:

Die Entscheidung des BGH thematisiert den spätmöglichsten Bekanntmachungszeitpunkt einer ergänzten Tagesordnung vor Beginn der Hauptversammlung.

Nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AktG ist eine aufgrund Minderheitsverlangens ergänzte Tagesordnung entweder bereits mit der Einberufung der Hauptversammlung oder andernfalls unverzüglich nach Zugang des Verlangens bekannt zu machen. Unverzüglich bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“. Dem Vorstand wird dabei eine Prüfungsfrist des Ergänzungsverlangens von 2 bis 5 Tagen zugebilligt.

Bei börsennotierten Aktiengesellschaften wird die „unverzügliche“ Frist anhand des Nachweisstichtags, dem sog. „Record Date“, ausgelegt und zum Ende hin beschränkt. Das Record Date ist der Stichtag, auf den sich der Nachweis des Anteilsbesitzes bezieht, der Voraussetzung für die Teilnahme an der Hauptversammlung ist. Deshalb ist bei börsennotierten Aktiengesellschaften die ergänzte Tagesordnung spätestens einen Tag vor dem Record Date und damit am 22. Tag vor der Hauptversammlung bekannt zu geben.

Auf nicht börsennotierte Aktiengesellschaften sind diese Grundsätze nicht übertragbar. Entscheidend ist hier der Zweck der Bekanntmachung, nämlich die sachgerechte Information der Aktionäre. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich auf die einzelnen Tagesordnungspunkte vorzubereiten, indem sie die sinnvolle Ausübung ihres Rede-, Frage- und Stimmrechts sowie mögliche Gegenanträge planen können. Die rechtzeitige Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte dient daneben der Entscheidung eines jeden Aktionärs, überhaupt an der Hauptversammlung teilzunehmen.

Vor diesem Hintergrund hat der BGH nunmehr entschieden, dass eine Bekanntmachung am letztmöglichen Tag der Anmeldung verspätet ist. Denn die dadurch verbleibende Zeitspanne ist für die Aktionäre zu kurz, um sich mit der Tagesordnung zu befassen, sich zur Teilnahme an der Hauptversammlung zu entscheiden und – wie hier erforderlich – eine Stimmkarte zu beantragen und die Aktien zu hinterlegen.

Auch wenn der BGH keinen fixen Endpunkt für die Bekanntmachung definiert, ergibt sich aus der Entscheidung Folgendes: Gerichtlich ermächtigte Minderheitsaktionäre haben die ergänzte Tagesordnung innerhalb angemessener Frist bekannt zu machen, um das Interesse der anderen Aktionäre an sachgerechter Information zu wahren. Eine Bekanntmachung am letztmöglichen Tag der Anmeldung bzw. der Nachweisfrist – soweit die Satzung solche Regelungen enthält – ist verspätet.

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