Commercial-Courts Wirtschaftsverfahren auf Englisch

Deutschland stärkt seinen Justizstandort durch die Einführung von Commercial Courts. Die Neuerungen sollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und Wirtschaftsprozesse attraktiver machen. Der Bundestag hat dazu das Justizstandort-Stärkungsgesetz verabschiedet.

Im Juli hat der Bundestag den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit“ (Justizstandort-Stärkungsgesetz) beschlossen. Durch die Einführung von Com­mer­cial Courts bei den Oberlandesgerichten und Commercial Chambers bei den Landgerichten soll die inter­na­tio­nale Wett­be­werbs­fä­hig­keit der deut­schen Gerichts­bar­keit gestärkt werden. Damit sollen inter­na­tio­nale Wirt­schafts­ver­fahren in eng­li­scher Sprache vor deutschen Gerichten möglich werden.

Die Attrak­ti­vität des Jus­tiz­stand­ortes Deutsch­land für die Aus­tra­gung inter­na­tio­naler Wirt­schafts­strei­tig­keiten ist eher gering. Nicht zuletzt der erheb­liche Rück­gang der Rechts­strei­tig­keiten bei den Land­ge­richts­kam­mern für Han­dels­sa­chen belegt diese Beob­ach­tung. Dabei dürfte die weit­ge­hend zwin­gende Ver­wen­dung der deut­schen Sprache vor Gericht eine nicht uner­heb­liche Brem­ser­rolle spielen.

Öffnung der deut­schen Zivil­ge­richts­bar­keit für inter­na­tio­nale Rechts­strei­tig­keiten 

Der Koali­ti­ons­ver­trag der Ampel-Regie­rung sieht vor diesem Hin­ter­grund eine Öffnung der deut­schen Zivil­ge­richts­bar­keit für inter­na­tio­nale Rechts­strei­tig­keiten in eng­li­scher Sprache vor. Danach soll den Ländern für Streit­werte ab einer bestimmten Schwelle die Ein­rich­tung von spe­zia­li­sierten Wirt­schafts­kam­mern bei den Land­ge­richten sowie von spe­zi­ellen Wirt­schafts­se­naten bei aus­ge­wählten Ober­lan­des­ge­richten ermög­licht werden.  

Problem der deut­schen Gerichts­sprache

Die Ein­füh­rung der Option eng­lisch­spra­chig geführter Wirt­schafts­pro­zesse vor spe­zia­li­sierten deut­schen Gerichten wird ange­sichts glo­baler Lie­fer­ketten und inter­na­tio­naler Wirt­schafts­ver­flech­tungen zur Stär­kung des deut­schen Jus­tiz­stand­ortes als drin­gend erfor­der­lich ange­sehen. Die Mög­lich­keiten, einen Wirt­schafts­rechts­streit vor einem deut­schen Gericht in eng­li­scher Sprache zu führen, sind derzeit äußerst begrenzt. Die Gerichts­sprache ist deutsch, § 184 Abs. 1 GVG. Urteile sind nach der­zei­tigem Pro­zess­recht grund­sätz­lich in deut­scher Sprache abzu­fassen, Schrift­sätze und Urkunden müssen i. d. R. in deut­scher Sprache oder deut­scher Über­set­zung ein­ge­reicht werden. 

Ver­hand­lungen in eng­li­scher Sprache sollen möglich werden

Vor­reiter bei der Ein­füh­rung der Option eng­lisch­spra­chiger Wirt­schafts­pro­zesse sind die Länder Baden-Würt­tem­berg, Hessen und Hamburg, die unter weiter Aus­le­gung des § 185 Abs. 2 GVG bereits über Com­mer­cial Courts, vor denen in eng­li­scher Sprache ver­han­delt werden kann, ver­fügen. Diese Option soll nach und nach dem Gesetzesentwurf nun deutsch­land­weit ein­ge­führt werden. Die spe­zia­li­sierten Spruch­körper sollen in unmit­tel­bare Kon­kur­renz zu aus­län­di­schen Han­dels­ge­richten und Schieds­ge­richten treten, wie sie etwa in London, Sin­gapur, Paris und Ams­terdam exis­tieren.

Spe­zi­elle Wirt­schafts­kam­mern bei den Land­ge­richten

Der vom Bundestag beschlossene Entwurf sieht bei den Land­ge­richten die Ein­füh­rung spe­zi­eller Wirt­schafts­kam­mern (Commercial Chambers) vor. Fol­gende Rege­lungen sind geplant:

  • Den Bun­des­län­dern soll das Recht zur Ein­füh­rung von Rege­lungen ein­ge­räumt werden, wonach Han­dels­strei­tig­keiten an aus­ge­wählten Land­ge­richten kom­plett in eng­li­scher Sprache geführt werden dürfen, § 184a GVG-E. 
  • Vor­aus­set­zung hierfür ist ein Ein­ver­nehmen zwi­schen den pro­zess­füh­renden Par­teien 
  • Die Länder sollen im Wege der Koope­ra­tion auch gemein­same eng­lisch­spra­chige Kammern ein­richten können.
  • Die Länder sollen darüber hinaus die Mög­lich­keit erhalten, für die Ver­hand­lungen über Rechts­mittel gegen ent­spre­chende Ent­schei­dungen der Land­ge­richte beson­dere Rechts­mit­tel­se­nate bei spe­zi­ellen Ober­lan­des­ge­richten ein­zu­richten und die Rechts­mit­tel­ver­hand­lungen dort zu kon­zen­trieren. 
  • Flankierend wird die Möglichkeit geschaffen, bei Verhandlungen über Geschäftsgeheimnisse die Öffentlichkeit auszuschließen und die Verfahrensbeteiligten zu besonderer Diskretion zu verpflichten, § 273a ZPO-E.

Com­mer­cial-Courts bei den Ober­lan­des­ge­richten

Für größere Han­dels­ver­fahren ab einem Streit­wert von 1.000.000 EUR sollen die Länder bei den Ober­lan­des­ge­richten spe­zi­elle Senate als Com­mer­cial Courts ein­richten dürfen, § 119b GVG-E. Ähnlich wie bei den Kammern an den Land­ge­richten werden

  • die Ver­fahren kom­plett in eng­li­scher Sprache geführt werden können, 
  • soweit die Par­teien ein­ver­standen sind und 
  • ein sach­li­cher Grund für die Sprach­wahl vor­liegt.
  • Ist eine Klage beim LG anhängig, so kann das LG sich nach dem beschlossenen Entwurf im Fall eines bis zum Ende der Klageerwiderungsfrist erzielten Einvernehmens der Parteien für unzuständig erklären und den Rechtsstreit an den vom Kläger bezeichneten Commercial Court verweisen, § 620 ZPO-E, wenn die übrigen Voraussetzungen für ein Verfahren vor dem Commercial Court vorliegen.
  • Für das Ver­fahren selbst soll die Mög­lich­keit zur Erstel­lung eines Wort­pro­to­kolls, wie es aus der Schieds­ge­richts­bar­keit bekannt ist, ermög­licht werden. 
  • In den Ver­hand­lungen soll auch der Einsatz von Video­kon­fe­renz­technik ermög­licht werden.
  • Die Beset­zung der Com­mer­cial-Courts wird mit spe­zia­li­sierten Rich­te­rinnen und Rich­tern mit sehr guten eng­li­schen Sprach­kennt­nissen erfolgen, 
  • darüber hinaus sollen diese Senate über eine beson­ders hoch­wer­tige digi­tale Aus­stat­tung ver­fügen.
  • Auch hier ist die Mög­lich­keit der Koope­ra­tion der Länder zur Errich­tung gemein­samer Com­mer­cial Courts vor­ge­sehen, § 119b Abs. 6 GVG-E. 
  • Die Ver­fah­rens­kosten sollen sich nach den bis­he­rigen Kos­ten­vor­schriften der Ober­lan­des­ge­richte richten. 
  • Ent­schei­dungen der Com­mer­cial-Courts können mit der Revi­sion zum BGH ange­griffen werden. 
  • Auch beim BGH soll für diese Fälle eine Ver­fah­rens­füh­rung in eng­li­scher Sprache ermög­licht werden. 

Die Bundesregierung plant zügige Umset­zung

 Der vom Bundestag beschlossene Gesetzentwurf soll unmittelbar nach der Sommerpause abschließend vom Bundesrat beraten werden.
 

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