Wohnwagen überholt Zugfahrzeug

Wenn der Wohnanhänger auf der Autobahn instabil wird, ist ein Unfall oft nicht mehr zu vermeiden. Die Versicherungen wollen in diesen Fällen häufig nicht zahlen – nicht selten zu Unrecht, wie der BGH urteilte.

Im Juli des Jahres 2009 kann das Pkw-Wohnwagengespann des Klägers auf einer Autobahn wegen unerwartet starker Spurrillen ins Schleudern. Der Wohnanhänger kollidierte mit dem Zugfahrzeug und beschädigte dieses. Von seiner Vollkaskoversicherung verlangte der Kläger Ersatz der veranschlagten Reparaturkosten. Die Versicherung lehnte den Ersatz ab unter dem Hinweis, es handele sich um ein so genannten Betriebsschaden, dieser sei nicht versichert. Der Kläger hatte mit seinem Zahlungsbegehren beim Amtsgericht zunächst Erfolg; in der Berufungsinstanz unterlag er. Die beim BGH eingelegte Revision führte wieder zu dem vom AG gefundenen Ergebnis. 

Auslegung der AGB entscheidet

In den dem Versicherungsvertrag zu Grunde gelegten AGB war bestimmt, dass die Vollversicherung solche Schäden erfasst, die durch einen Unfall, d.h. „durch ein unvorhergesehenes, unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis“ verursacht würden. „Betriebsschäden“ wurden von dem Versicherungsschutz ausgenommen. Darüber hinaus wurde bestimmt: „nicht versichert sind insbesondere gegenseitige Schäden zwischen ziehenden und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen ...“. Die Auslegung dieser AGB machte der BGH zur Grundlage seiner Entscheidung. 

Kein Betriebsschaden

Der BGH stellte klar, dass das Schadensereignis nicht als nicht versierter Betriebsschaden einzustufen sei, wie die Beklagte meinte. Für Betriebsschäden sei charakteristisch, dass sie durch normale Abnutzung, durch Material oder Bedienungsfehler entstünden und zum normalen Betrieb eines Kfzs gehörten (BGH, Urteil v. 23.10.1968, IV ZR 625/68). Grundlage der Auslegung der AGB sei der Horizont eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse (BGH, Urteil v. 11.12.2002, IV ZR 226/01). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer sehe in einem Kfz Wohnwagengespann keine technische Betriebseinheit sondern zwei, zwar miteinander verbundene, aber dennoch eigenständige technische Gefährte. Kollidierte der Hänger mit dem Zugfahrzeug, so handele sich folglich um eine auf das Zugfahrzeug von außen wirkende mechanische Kraft, was einen nicht versicherten Betriebsschaden ausschließe..

Spurrillen haben das Unfallereignis in Gang gesetzt

Die AGB-Klausel, wonach gegenseitige Schäden zwischen ziehenden und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen vom Versicherungsschutz ausgenommen seien, sei vorliegend ebenfalls nicht anwendbar. Insofern hätten nämlich die unerwartet tiefen Spurrillen die zum Unfall führende Kausalkette in Gang gesetzt. Auch hier handle es sich um eine von außen wirkende Kraft, ohne die es zu dem Unfall nicht gekommen wäre. Die Fahrbahnbeschaffenheit wie auch Witterungsverhältnisse seien Außenkräfte, die ein Unfallereignis in Gang setzen könnten. Vorliegend hätten die unerwartet starken Spurrillen die Richtungsstabilität des Gespanns so nachteilig beeinflusst, dass durch diese äußere Krafteinwirkung das Unfallereignis geschehen sei. Demgemäß seien die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung ohne weiteres gegeben.

(BGH, Urteil v. 19.12.2012, IV ZR 21/11)

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