Sind Handyaufnahmen von Polizeieinsätzen zulässig

Bei Demonstrationen oder sonstigen Einsätzen der Polizei schlagen die Wogen oft hoch. Die Beamten werden schnell zum Feindbild. Da heute quasi jeder ein Smartphone hat und ständig benutzt, wird häufig auf den Aufnahmeknopf gedrückt, um echte oder vermeintliche Polizeigewalt zu dokumentieren. Eine häufige Gegenreaktion ist die Beschlagnahme des Mobiltelefons. Was ist hiervon zulässig?

Nur „öffentlich“ gesprochene Worte dürfen aufgenommen werden

"Wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt, kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden" (§ 201 StGB, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes).

Die Streitfälle von Aufnahmen von Polizeieinsätzen drehen sich immer um die Frage, ob die Polizistenkonversation als öffentlich oder vertraulich zu bewerten ist. Drei Beispiel-Entscheidungen zeigen, dass Polizeieinsätze in der Regel im öffentlichen Bereich verortet werden.

LG Osnabrück lässt Handyaufnahmen bei Polizeieinsatz zu

Jüngst hat das LG Osnabrück die Beschlagnahme des Handys nach Aufzeichnungen eines Polizeieinsatzes durch den Besitzer für rechtswidrig erklärt: Bei dem Einsatz eines Funkstreifenwagens in der Osnabrücker Innenstadt war es unruhig zugegangen. Die Polizeibeamten fixierten eine wehrhafte Person auf dem Boden, Umstehende mischten sich ein. Einer von ihnen filmte das Ganze mit seinem Smartphone. Die Beamten zogen das Gerät ein.

Öffentlicher Ort reicht, um auch das Gesprochene als öffentlich zu qualifizieren

Das Einkassieren seines Handy ließ sich der Filmende nicht gefallen; er ging gerichtlich gegen die Beschlagnahme vor. Vor dem Amtsgericht zog er noch den Kürzeren, das LG Osnabrück entschied aber gegen die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme. Warum?

Die aufgenommenen Diensthandlungen der Polizisten spielten sich im frei zugänglichen, öffentlichen Verkehrsraum ab, so seien auch die dortigen Äußerungen öffentlich, oder „faktisch öffentlich“ wie es in dem Beschluss heißt.

Landgericht München I urteilt milde

Die Münchener Richter entschieden 2019 einen Fall, in dem eine Demonstrantin Polizisten im Einsatz mit ihrem Handy filmte. Das Amtsgericht München hatte sie  Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Worts gemäß §§ 201 Abs. 1 Nr. 1, 205 Abs. 1 StGB durch Aufzeichnung eines nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Gesprächs eines Polizeibeamten zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.600 EUR verurteilt. In zweiter Instanz vor dem Landgericht München (LG München I, Urteil v. 11.2.2019, 25 Ns 116 Js 165870/17) hatte sie etwas mehr Glück. Der Vorsitzende ließ sie

  • mit einer Verwarnung davonkommen.
  • Sofern sie sich jedoch innerhalb eines Jahres strafbar macht, werden 1.000 EUR fällig.

Gegendemonstranten treffen auf Abtreibungsgegner

Der Anklage lag folgendes Geschehen zugrunde: Im Juni 2017 zog eine friedliche Demonstration von überzeugten Abtreibungsgegnern durch die Straßen Münchens. Die 26-jährige, später verurteilte Studentin befand sich in der überwiegend linksalternativen Gegenbewegung, die versuchte den Demonstrationszug zu stören. Eine Bekannte von ihr trat den Abtreibungsgegnern besonders aggressiv mit einer laute Musik spielenden Box entgegen. Zwei Polizeibeamte nahmen sie daraufhin zur Seite, baten sie die Lautstärke zu drosseln und begannen mit der Personalienfeststellung.

Handyvideo während Polizei die Personalien einer Mitdemonstrantin feststellt

Diese Situation filmte die 26-jährige aus nächster Nähe mit ihrem Handy und verkniff sich auch ein paar provokante Kommentare nicht. So mussten sich die Polizisten u. a. anhören, sie seien „Scheiß Straftäter in Uniform“ und sie würde nun ein „wunderschönes Video von einem weiteren rechtswidrigen Polizeieinsatz“ drehen. Tatsächlich verhielten sie sich vorschriftsmäßig. Trotz wiederholter, laut und deutlich geäußerter Aufforderungen seitens der Beamten, das Filmen zu unterlassen, hörte die junge Frau nicht auf.

Personalienfeststellung = Dienstgespräch = nichtöffentlich = vertraulich

Auf dem Handyvideo war das Gespräch zwischen den Polizisten und der Demonstrantin zu hören. Das wurde der filmenden Studentin zum Verhängnis, und nicht etwa ihre geäußerten Anschuldigungen oder die Missachtung der Aufforderung mit der Aufnahme aufzuhören.

Das geführte Gespräch wurde als Dienstgespräch qualifiziert und war damit nichtöffentlich.

LG Kassel: Bei lautstarken Äußerungen kann „faktische Öffentlichkeit“ Tonaufnahmen zulassen

Das LG Kassel hatte in einem vergleichbaren Sachverhalt darüber zu entscheiden, ob die Polizeibeamten das Handy der Aufzeichnenden beschlagnahmen und fast zwei Monate vorenthalten durfte (LG Kassel, Beschluss v. 23.9.2019, 1622 Js 30357/19). Die aufgenommenen Worte wurden wohl so laut gesprochen, dass eine sog. „faktische Öffentlichkeit“ angenommen wurde. Das hat zur Folge, dass eine Einwilligung in die Aufnahme unterstellt wird, in diesem Fall des Kontrollierten, der persönliche Daten preisgibt.

Ist das Smartphone so unentbehrlich geworden, dass ohne es der Alltag nicht zu bewältigen ist?

Die Beschlagnahme des Smartphones lag den Richtern sichtlich im Magen, zumal da ein Ende nicht absehbar war. Offenbar wurde nicht weiter ermittelt oder sonst Eile an den Tag gelegt, um das Handy wieder an seine Besitzerin zu bringen. Das Gericht stellte die zentrale Bedeutsamkeit des Smartphones im Leben vieler Menschen fest und entschied, dass die anhaltende Beschlagnahme auch unter diesem Gesichtspunkt unverhältnismäßig ist.

(LG Osnabrück, Beschluss v. 24.9.2021, 10 Qs 49/21).

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