Coronavirus: Gottesdienstverbote auch über Ostern rechtmäßig

Die infolge der Corona-Pandemie in den einzelnen Bundesländern erlassenen Gottesdienstverbote sind zum Zwecke der Eindämmung der Ansteckungsgefahr notwendig und rechtlich nicht zu beanstanden. Dies entschieden inzwischen verschiedene Verwaltungsgerichte sowie der VGH Hessen.

Das zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bundesweit in den einzelnen Bundesländern verhängte Verbot der Abhaltung von Gottesdiensten in Kirchen, Moscheen und Synagogen wird in ersten Entscheidungen von unterschiedlichen Verwaltungsgerichten als rechtlich zulässig eingestuft.

Beispiellose Einschränkung der Religionsfreiheit

Der VGH Hessen sprach in seiner Entscheidung über den Eilantrag eines Katholiken auf Aussetzung des Gottesdienstverbots von einer in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispiellosen Einschränkung der Religionsfreiheit durch die Hessische Verordnung zum Schutz gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie (HessCorSchVO). Gemäß § 1 Abs. 5 HessCorSchVO sind Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften untersagt. Gleichzeitig stellt die Regelung klar, dass die Glaubensgemeinschaften alternative Formen der Glaubensbetätigung ausüben dürfen, die nicht mit Zusammenkünften von Personen verbunden sind (Internetgottesdienste).

Katholik pocht auf schrankenlos gewährte Religionsfreiheit

Der Antragsteller ist Angehöriger der römisch-katholischen Kirche und argumentierte, dass seine religiöse Überzeugung ihn dazu verpflichtet, regelmäßig am Sonntag die heilige Messe zu besuchen. Er halte es für unverhältnismäßig, dass Getränkemärkte und andere Geschäfte geöffnet haben dürften, während er in der Ausübung seiner Religionsfreiheit behindert werde. Die Religionsfreiheit werde gemäß Art. 4 GG unbeschränkt, ohne Gesetzesvorbehalt gewährt. Er könne keinen triftigen Grund erkennen, dass Gottesdienste nicht unter Einhaltung strikter Abstandsregeln, die den Schutz vor Infektionen gewährleisten, stattfinden könnten.

Gesundheitsschutz geht vor Religionsfreiheit

Das hessische OVG folgte dieser Argumentation nicht. Trotz der massiven Einschränkung der Religionsfreiheit sei diese hinzunehmen. Jedes auch vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht finde seine Grenzen dort, wo dies zum Schutz der Grundrechte Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter rechtlichen Werte notwendig sei. Der Schutz vor Ansteckungsgefahren und einer großen Streubreite des Virus gelte dem überragenden Rechtsgut des Schutzes der Gesundheit der Allgemeinheit, der Gläubigen und auch der Priester. Zur Eindämmung der Ansteckungswelle mit dem Covid-19-Virus sei jede unnötige Ansammlung von größeren Personengruppen zu vermeiden.

Ausnahmen dienen der Grundversorgung der Bevölkerung

Zu Recht habe der Staat einzelne Ausnahmen lediglich dort zugelassen, wo es um die Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln oder anderen überragend wichtigen Gütern der Gesundheitsversorgung gehe. Zudem sei die Ausübung der Religion als solche nicht untersagt, vielmehr sei eine Möglichkeit zur Ausübung religiöser Bedürfnisse durch umfangreiche Alternativangebote in elektronischer Form, wie Internetgottesdienste, auch über die Osterfeiertage gewährleistet.

Einstweiliger Rechtsschutz versagt

Der VGH wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung daher zurück. Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar (VGH Kassel, Beschluss v. 7.4.2020, 8 B 892/20.N).

Gottesdienste unterliegen allgemeinem Veranstaltungsverbot

Ähnlich urteilten die VG Berlin und Leipzig. In einem von einem religiösen Verein eingeleiteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren bewertete das VG Berlin das in der Berliner SARS-Co-V2-Coronavirus- Eindämmungsverordnung enthaltene Verbot vermeidbarer öffentlicher oder nicht öffentlicher Veranstaltungen und Versammlungen als unabdingbar, um den Schutz von Leben und Gesundheit der Allgemeinheit durch Eindämmung der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus zu gewährleisten. Die Verordnung sehe zwar Ausnahmen von den Veranstaltungsverboten vor, in diesen Ausnahmen sei die Abhaltung von Gottesdiensten aber nicht enthalten. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass Gottesdienste von dem Veranstaltungsverbot erfasst seien.

Kernbereich der Religionsfreiheit bleibt gewahrt

Das Versammlungsverbot ist nach Auffassung des VG Berlin im Hinblick auf den erstrebten legitimen Zweck der Aufrechterhaltung eines funktionierenden öffentlichen Gesundheitssystems auch verhältnismäßig, zumal es den Gläubigen auch weiterhin erlaubt sei, als Einzelpersonen Kirchen, Moscheen und Synagogen zu besuchen, wenn auch nur zur individuellen stillen Einkehr. Damit sei die Ausübung religiöser Gebräuche zumindest in einem persönlichen Rahmen weiterhin möglich. Der Kernbereich der Religionsfreiheit bleibe also erhalten. Darüber hinaus seien die Verbote zeitlich begrenzt, so dass die Einschränkung der Religionsfreiheit für den einzelnen Gläubigen im Hinblick auf das überragende Schutzgut der Gesundheit der Allgemeinheit und der Gläubigen zumutbar sei (VG Berlin, Beschluss v. 7.4.2020, 14 L 32/20).

VG Leipzig betont Pflicht zur ständigen Überprüfung des Gottesdienstverbots

Der beim VG Leipzig eingereichte Eilantrag richtete sich gegen das in der Sächsischen Allgemeinverfügung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie enthaltene Gottesdienstverbot. Das VG Leipzig setzte einen besonderen Akzent darauf, dass die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Gottesdienstverbots in kurzen Abständen anhand der verfügbaren Zahlen des RKI überprüft und zeitlich streng auf das notwendige Maß beschränkt wird. Die Beschlüsse des VG Leipzig und des VG Berlin sind grundsätzlich noch mit der Beschwerde zum jeweiligen OVG anfechtbar (VG Leipzig, Beschluss v. 6.4.2020, 3 L 182/20).

Zurückweisung eines Eilantrags auch in Baden-Württemberg

Auch der VGH Baden-Württemberg hat einen Eilantrag eines Mitglieds der evangelischen Landeskirche auf Zulassung von Gottesdiensten an den Osterfeiertagen zurückgewiesen, in diesem Fall allerdings aus formaljuristischen Gründen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 8.4.2020, 1 S 871/20).

In Bayern ist eine Popularklage beim Verfassungsgerichtshof anhängig

In Bayern hat ein Rentner eine Popularklage beim Bayerischen VerfGH eingereicht. Er rügt einen Verstoß der in Bayern verhängten Verbote von Gottesdiensten gegen die Glaubens-und Gewissensfreiheit gemäß Artikel 107 und sowie gegen die Würde des Menschen gemäß Artikel 100 der Bayerischen Verfassung. Daneben sind beim Bayerischen VGH Normenkontrollklagen gegen die durch die bayerische Staatsregierung verhängten Beschränkungen der Gottesdienste eingegangen.

Die Kirchen befürworten überwiegend die Gottesdienstverbote

Die Kirchen selbst, insbesondere die Mehrheit der katholischen und evangelischen Bischöfe befürwortet die Versammlungsverbote in ihren Gotteshäusern und ermuntert die Gläubigen besonders zu Ostern zur Inanspruchnahme der Vielzahl an elektronischen Angeboten und der Übertragung von Gottesdiensten im Internet und Fernsehen. Es gibt aber auch Gegenstimmen: Der Kirchenrechtler Christian Hillgruber übt Kritik und meint unter dem Verhältnismäßigkeitsaspekt wären Kapazitätsgrenzen für Gotteshäuser sowie großzügige Abstandsgebote während der Gottesdienste als weniger einschneidende Maßnahmen ausreichend und ebenso effektiv wie Totalverbote gewesen. Dies gelte besonders für Ostern, dem mit Abstand wichtigsten Fest gläubiger Christen, an dem es in Europa in den vergangenen 2.000 Jahren solche Beschränkungen nicht gegeben habe.