Pflichtverteidigerwechsel grundlos nur bei Kostenneutratlität?

Die Einschränkung der Pflichtverteidigerbestellung im Rahmen der Auswechselung des Pflichtverteidigers, dass damit der Staatskasse keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen, entbehrt nach einem Beschluss des Landgerichts Hagen einer gesetzlichen Grundlage.

Dem Antrag eines Verteidigers auf Auswechselung des Pflichtverteidigers wurde dem Grunde nach entsprochen worden. Dies allerdings nur mit der Maßgabe, dass der Landeskasse hierdurch keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen. Soweit der ursprüngliche Antrag des Verteidigers demnach hierüber hinausging, ist er zurückgewiesen worden. Dagegen legte der Anwalt Beschwerde ein, der das Landgericht Hagen stattgab. 

Kein wichtiger Grund für den Pflichtverteidigerwechsel

 Die vom Amtsgericht vorgenommene Einschränkung der Pflichtverteidigerbestellung im Rahmen der Auswechselung des Pflichtverteidigers, dass damit der Staatskasse keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen, entbehrt nach Ansicht des Gerichts  einer gesetzlichen Grundlage.

  • Zwar habe das Amtsgericht im Nichtabhilfebeschluss zutreffend ausgeführt, dass ohne Vorliegen wichtiger Gründe einem Wechsel des Pflichtverteidigers ausnahmsweise dann entsprochen werden kann,
  • wenn der Angeklagte und beide Verteidiger damit einverstanden sind,
  • durch den Wechsel keine Verfahrensverzögerung eintritt
  • und der Staatskasse dadurch keine Mehrkosten entstehen.

Ebenso zutreffend habe das Amtsgericht weiter ausgeführt, dass in solchen Fällen nur unter dieser Voraussetzung der Pflichtverteidigerwechsel überhaupt zulässig ist. In Konsequenz dieser Vorgaben wäre im vorliegenden Fall ein Wechsel des Pflichtverteidigers überhaupt nicht in Betracht gekommen. Denn ein wichtiger Grund, der einen Pflichtverteidigerwechsel hätte rechtfertigen können, lag nicht vor; jedenfalls ist ein solcher weder vorgetragen noch ersichtlich.

Kostenneutralität kann wichtigen Grund nicht ersetzen

Da aber der Austausch des Pflichtverteidigers im vorliegenden Fall mit zusätzlichen Kosten für die Staatskasse verbunden ist, hätte der Antrag auf Auswechselung des Pflichtverteidigers mangels Vorliegen der Voraussetzungen zurückgewiesen werden müssen.

  • „Die für die Auswechslung des Pflichtverteidigers insoweit erforderlichen Voraussetzungen können nicht dadurch herbeigeführt werden, dass — wie hier geschehen — die Beiordnung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe erfolgt, dass der Staatskasse hierdurch keine zusätzlichen Kosten entstehen;
  • vielmehr wären die Voraussetzungen vor der Entscheidung des Amtsgerichts zu prüfen und entsprechend zu beachten gewesen“, betonte das Gericht. Deshalb hob das Landgericht Hagen die einschränkende Kostenentscheidung auf.

(LG, Beschluss. vom 3.8.2015, 31 Qs-400 Js 157/15-1/15 67 Gs 992/15).




Hintergrund:

Zerrüttetes Vertrauensverhältnis als Grund für einen Wechsel des Pflichtverteidigers

Kommt es im Verlauf des Verfahrens zu einer nicht mehr heilbaren Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger, kann die Rücknahme der Bestellung angezeigt sein (ausführlich hierzu Hellwig/Zebisch NStZ 2010, 602). Die Anforderungen hierfür sind jedoch hoch.

Der bloße Wunsch des Angeklagten, künftig von einem anderen Rechtsanwalt vertreten zu werden, genügt nicht (KK-Laufhütte, § 143 StPO Rn. 5).

Kein Mittel zur Verfahrensverzögerung

Nach der Rechtsprechung muss dem Angeklagten auch die Möglichkeit verwehrt bleiben, einen grundlosen und nicht gebotenen Verteidigerwechsel zu erzwingen, da er es andernfalls in der Hand hätte, jederzeit unter Berufung auf ein fehlendes Vertrauensverhältnis einen Verteidigerwechsel herbeizuführen, um damit möglicherweise auch das Verfahren zu verzögern (BGH NJW 1993, 3276; OLG Hamm NJW 2006, 2562).

Der Maßstab für die zur Begründung der im Entpflichtungsantrag vorgetragenen Gründe ist enger als bei der Auswahl des Pflichtverteidigers, wenn der Beschuldigte zur Auswahl seines Pflichtverteidigers gem. § 142 Abs. 1 StPO angehört worden ist. Dann kann nämlich davon ausgegangen werden, dass ihm der Anwalt seines Vertrauens beigeordnet worden ist (OLG Hamm, Beschluss v. 26.1.2006, 2 Ws 30/06).

  • Es genügt deshalb der unsubstantiierte, nicht mit einer nachvollziehbaren Begründung versehene Hinweis des Angeklagten, er habe kein Vertrauen (mehr) zu dem vom Gericht bestellten Verteidiger, nicht
  • und auch die nicht mit bestimmten Tatsachen belegte Behauptung des Verteidigers, das Vertrauensverhältnis sei zerstört, ist unzureichend (BGH NStZ 1988, 420).
  • Es müssen vielmehr Umstände substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht werden, die bei objektiver Betrachtung eine Erschütterung des Vertrauens des Angeklagten zu dem bestellten Pflichtverteidiger besorgen lassen (BGH NStZ 2004, 632; BGH NStZ-RR 2005, 240).

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium


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