Anscheinsvollmacht durch Weitergabe des E-Mail-Passworts
So sah es jedenfalls das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken in einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung vom Januar 2025.
Versicherungsfall infolge Wasserschadens
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall unterhielt die Eigentümerin einer Immobilie eine Gebäudeversicherung u.a. für Wasserschäden. Ein aufgetretener Wasserschaden blieb für längere Zeit unentdeckt. Das eingedrungene Wasser beschädigte unbemerkt über längere Zeit die Bausubstanz.
Abfindungsvergleich über Austausch von E-Mails
Über die Eintrittspflicht der Gebäudeversicherung kam es zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer zu Differenzen, die im Jahr 2014 durch den Abschluss eines Abfindungsvergleichs über die Zahlung einer pauschalen Schadensumme von 10.000 EUR beigelegt wurde. Tatsächlich hatte aber nicht die Versicherungsnehmerin, sondern deren Ehemann die Einigung mit dem Versicherer im Wege wechselseitig versandter E-Mails erreicht. Dabei nutzte der Ehemann den E-Mail Account der Ehefrau über das ihm von dieser bekannt gegebene Passwort.
Nach Abfindungsvergleich stellten sich Folgeschäden heraus
Erst ca. 6 Jahre später entdeckte die Versicherungsnehmerin weitere Folgeschäden des Wasserschadens. Sie forderte von der Gebäudeversicherung weitere Zahlungen. Diese lehnte unter Hinweis auf den geschlossenen Abfindungsvergleich ab. Der Abfindungsvergleich enthalte eine ausdrückliche Vereinbarung, dass mit Abschluss auch sämtliche Zahlungen für Folgeschäden ausgeglichen seien.
Ehefrau hält Abfindungsvergleich für unwirksam
Die Versicherungsnehmerin hielt den geschlossenen Vergleich für unwirksam. Er beruhe auf einer E-Mail, die ihr Ehemann verfasst habe. Sie selbst habe nie die Absicht gehabt, eine Abfindungsklausel zu akzeptieren, die sämtliche in der Zukunft auftretende Folgeschäden abgelte. Sie habe die Abfindungsklausel auch nicht gekannt.
Klage gegen die Gebäudeversicherung beim LG erfolglos
Die von der Versicherungsnehmerin gegen die Versicherung eingereichte Zahlungsklage blieb über 2 Instanzen ohne Erfolg. Das erstinstanzlich zuständige LG vertrat die Auffassung, die Klägerin habe dem abgeschlossenen Abfindungsvergleich nachträglich zugestimmt und diesen gemäß § 177 Abs. 1 BGB genehmigt. Die konkludent erteilte Genehmigung liege darin, dass die Klägerin die von der Versicherung auf ihr Konto überwiesene Abfindungssumme kommentarlos akzeptiert habe. In den Folgejahren habe sie zunächst keine weiteren Forderungen gestellt.
OLG bewertet Passwortvergabe als Anscheinsvollmacht
Das in zweiter Instanz zuständige OLG bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung - allerdings mit anderer Begründung. Der OLG-Senat vertrat die Auffassung, die Klägerin müsse sich das Handeln ihres Ehemanns über das Rechtsinstitut der Anscheinsvollmacht zurechnen lassen. Sie habe ihrem Ehemann das Passwort zu ihrem E-Mail Account genannt und habe darüber hinaus geduldet, dass ihr Ehemann regelmäßig E-Mails über ihren Account versandte und zwar sowohl private als auch geschäftliche Mails. Durch ihr Verhalten habe die Klägerin den ihr zurechenbaren Rechtsschein gesetzt, die von ihrem Ehemann unter ihrem Absender versandten Erklärungen gebe dieser in ihrem Namen ab. Davon jedenfalls habe die beklagte Versicherung von ihrem Empfängerhorizont aus ausgehen dürfen.
Abfindungsvergleich nicht treuwidrig
Der Abfindungsvergleich war nach Auffassung des OLG auch nicht deshalb unwirksam, weil Folgeschäden abgegolten sein sollten, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs noch nicht bekannt waren. Solche Abfindungsvergleiche seien in Versicherungsfällen nicht unüblich. Die Parteien wollten den Versicherungsfall durch Zahlung einer fix vereinbarten Entschädigung damit endgültig zum Abschluss bringen. Mit einem solchen Abfindungsvergleich würden die Parteien regelmäßig das im beiderseitigen Interesse liegende Ziel verfolgen, die Auseinandersetzung über möglich unterschiedliche Vorstellungen zur Schadensregulierung endgültig, d.h. auch für die Zukunft aus der Welt zu schaffen. Eine Abfindungsvereinbarung diene damit auch der Herstellung des Rechtsfriedens.
Kein krasses Missverhältnis in Bezug auf die Folgeschäden
Der Senat sah auch keinen Grund, den Abfindungsvergleich wegen eines besonders krassen Missverhältnisses zwischen Abfindungssumme und den Folgeschäden aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB für unwirksam zu erklären. Ein besonders krasses Missverhältnis sei im konkreten Fall nicht zu erkennen.
Leistungsklage gegen Versicherung abgewiesen
Im Ergebnis rechnete das OLG die im Rahmen des Abschlusses des Abfindungvergleichs von dem Ehemann über den E-Mail Account seiner Ehefrau abgegebenen Erklärungen der Klägerin in vollem Umfange zu. Ein Anspruch auf weitere Leistungen der Versicherung bestand demnach nicht.
(OLG Zweibrücken, Urteil v. 15.1.2025, 1 U 20/24)
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