Wirksamkeit vertraglicher Einschränkungen des Trennungsunterhalts

Bei Streitigkeiten um die Wirksamkeit eines Verzichts auf Trennungsunterhalt müssen die Gerichte immer erst den angemessenen Unterhalt i.S. des § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB ermitteln. Ohne diese Feststellung lässt sich die Höhe des Verzichts nicht errechnen und damit nicht entscheiden, ob eine zulässige Unterhaltsreduzierung vereinbart wurde. 

Geht eine Ehe in die Brüche, kann der finanziell schlechter gestellte Ehepartner für die Zeit des Getrenntlebens Trennungsunterhalt verlangen (§ 1361 BGB). Eine Vereinbarung, mit der der Unterhaltsberechtigte auf seinen zukünftigen Trennungsunterhalt verzichtet, ist grundsätzlich unwirksam.

Trennungsunterhaltsverzicht nur ausnahmsweise möglich

Ausnahmen vom Verbot des Trennungsunterhaltsverzichts sind nur in engen Grenzen möglich, und zwar unter anderem nur dann, wenn der Unterhalt per Vereinbarung nicht unangemessen reduziert wird. Der BGH rügte im vorliegenden Fall das OLG Düsseldorf, da es dessen Entscheidung an der Grundlage fehle, die für die Beurteilung des konkreten Unterhaltsbedarfs und damit der Wirksamkeit der vertraglichen Regelung nötig ist.

Der Ehevertrag und seine Tücken

Nach fast 6 Jahren Ehe trennten sich Antragstellerin und Antragsgegner im Dezember 2011. Kurz vor ihrer Heirat schlossen die Beteiligten einen notariellen Ehevertrag, in dem es unter anderem hieß:

"III. Nachehelicher Unterhalt

1. Bei Scheidung wird – sofern die Ehefrau unterhaltsberechtigt sein sollte – grundsätzlich der gesetzliche nacheheliche Unterhalt geschuldet.

Jedoch wird ein etwaiger Unterhaltsanspruch hinsichtlich der Höhe wie folgt begrenzt:

a) Der gesetzlich geschuldete Unterhalt soll in jedem Fall der Höhe nach begrenzt sein, und zwar auf einen monatlichen Betrag in Höhe von € 3.000.

b) Der vorbezeichnete Betrag soll wertbeständig sein. Er erhöht oder vermindert sich in demselben prozentualen Verhältnis, in dem sich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden für jeden Monat festgestellte und veröffentlichte Verbraucherpreisindex für Deutschland ...

c) Soweit also ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch die vorstehend vereinbarte Höchstgrenze übersteigen würde, verzichtet die Ehefrau auf den etwaigen übersteigenden Unterhaltsbetrag. Der Ehemann nimmt diesen Verzicht an.

...

2. Sofern der Ehefrau auf der Grundlage der vorstehenden Regelung in Ziffer 1 kein Unterhalt zusteht bzw. ein solcher nicht mehr zusteht, verpflichtet sich der Ehemann, den vorstehend vereinbarten Höchstbetrag einschließlich der Wertsicherung monatlich zu zahlen, und zwar unabhängig davon, ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines nachehelichen Unterhaltes dem Grund und der Höhe nach bestehen. Die Zahlung erfolgt auf Lebenszeit der Ehefrau.

...

Die Zahlungspflicht ruht, sofern die Ehefrau wieder heiratet. Die Zahlungspflicht lebt wieder auf, ab Rechtskraft der Scheidung der neuen Ehe der Ehefrau.

...

IV. Vereinbarung zum ehelichen Unterhalt

1. Die Beteiligten erklärten im Wege einer sog. Unterhaltsvereinbarung, dass für den Trennungsunterhalt vorstehender Abschnitt III zur Anwendung kommt und insoweit eine Zahlungshöchstgrenze bzw. ein Nichtverlangen vereinbart sind.

2. Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass hierin ein Verzicht auf ehelichen Unterhalt nicht liegt, da ein solcher Verzicht für die Zukunft nicht wirksam vereinbart werden kann.

..."


Die Ehe wurde im Mai 2013 rechtskräftig geschieden. Nun streiten sich die Ex-Partner um den von der Ehefrau beantragten Trennungsunterhalt für die Zeit von Januar 2012 bis Mai 2013 in Höhe von ca. 83.000 EUR.

OLG: Ehevertragliche Vereinbarung ist wirksam

Nachdem das Amtsgericht Wuppertal den Anspruch der Antragstellerin zunächst bestätigte, hielt das OLG Düsseldorf die ehelichvertrtagliche Vereinbarung zum Trennungsunterhalt für wirksam und wies den Antrag ab. Zur Begründung führte das OLG aus,

  • dass es im vorliegenden Fall auf die Frage, in welchen Grenzen eine vertragliche Vereinbarung zum Trennungsunterhalt wirksam sei und wann ein unwirksamer Verzicht vorliegt, gar nicht ankomme.
  • Denn die Regelung zum Trennungsunterhalt dürfe nicht losgelöst von den anderen Unterhaltsregelungen im Ehevertrag betrachtet werden.
  • Bei dieser Gesamtbetrachtung seien die Vorteile für die Antragsgegnerin insgesamt schon so gewichtig,
  • dass eine konkrete Berechnung des Trennungsunterhalts nicht angebracht sei.

Eine unzulässige Unterschreitung des angemessenen Unterhalts könne daher gar nicht vorliegen.

BGH sah unwirksamen Verzicht auf Trennungsunterhalt

Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hielt der BGH für vollumfänglich begründet.

  • Ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt ist unwirksam und damit nichtig (§ 1361 Abs. 4 Satz 4, § 1360 a Abs. 3 i.V.m. § 1614, § 134 BGB).
  • Zur Recht stellte das OLG nach Ansicht des BGH zwar zunächst fest, dass es für individuelle Regelungen bezüglich des Trennungsunterhalts dennoch einen gewissen Spielraum gebe, um den jeweiligen Unterhaltsanspruch interessengemäß und situationskonform zu gestalten.

Voraussetzung für die Annahme eines Verzichts ist, dass der von Gesetzes wegen zustehende Unterhalt durch den Ehevertrag objektiv verkürzt wurde.

Regelung des Trennungsunterhalts isoliert prüfen

Es müsse jedoch die Regelung des Trennungsunterhalts isoliert betrachtet werden. Anderweitige vertragliche Leistungen dürfen hierbei nicht berücksichtigt werden. Ohne die konkrete Feststellung der Höhe des angemessenen Unterhalts war vorliegend jedoch keine Beurteilung möglich, ob die Unterschreitung noch zulässig oder schon unzulässig war.

Spielraum für vertragliche Regelung

Der BGH verwies somit die Sache zur Entscheidung an das OLG zurück, verbunden mit dem Hinweis, dass zu prüfen sei, ob der vereinbarte Unterhalt unter Berücksichtigung aller Umstände so erheblich von dem rechnerisch ermittelten Unterhalt abweicht, dass er nicht mehr als angemessen angesehen werden kann. Nach Ansicht der Bundesrichter soll für diese Prüfung der von der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannte Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt werden:

  • Eine Unterschreitung von bis zu 20 % ist grundsätzlich noch angemessen
  • Eine Unterschreitung von einem Drittel ist unzulässig

(BGH, Beschluss v. 30.9.2015, XII ZB 1/15).


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