Nutzungsentschädigung für Ehewohnung bei Getrenntleben
Der BGH hat sich mit den Voraussetzungen und der möglichen Höhe einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung der Ehewohnung durch einen der Ehepartner befasst. Das Gericht misst hierbei den wechselseitigen Unterhaltsansprüchen im Rahmen der nach dem Gesetz erforderlichen Billigkeitsabwägung eine maßgebliche Bedeutung zu.
Ehemann zog aus der gemeinsamen Ehewohnung aus
Im konkreten Fall lebten die beteiligten Eheleute seit Anfang 2020 getrennt. Zu diesem Zeitpunkt war der Ehemann aus dem Reihenhaus, das den Eheleuten jeweils zur Hälfte gehörte, ausgezogen. Der gemeinsame minderjährige Sohn zog wenig später zu seinem Vater.
Ehefrau verweigerte Zahlung einer Nutzungsentschädigung
Der getrenntlebende Ehemann forderte von seiner, das gemeinsame Reihenhaus nunmehr allein nutzenden Ehefrau die Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von knapp 1.500 Euro. Die Instanzgerichte gaben seinem Antrag auf Nutzungsentschädigung in unterschiedlicher Höhe statt. Gegen die zuletzt vom OLG festgesetzte monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von etwas über 800 Euro wendete sich die Ehefrau mit ihrer Rechtsbeschwerde. Sie war der Auffassung, keinerlei Nutzungsentschädigung zahlen zu müssen.
Nutzungsentschädigung dient der Kompensation wirtschaftlicher Nachteile
Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein getrenntlebender Ehegatte, der die Ehewohnung allein nutzt, eine Nutzungsentschädigung an den weichenden Ehegatten zu zahlen hat, ist gemäß § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB allein nach den Billigkeitsgrundsätzen zu entscheiden. Die Vergütungspflicht knüpft nach der Auslegung des BGH allein an die tatsächliche Überlassung der Ehewohnung an. Es komme nicht darauf an, ob der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig oder aufgrund einer gerichtlich ausgesprochenen Verpflichtung verlassen hat. Die Nutzungsvergütung habe den Sinn, den Verlust des Wohnungsbesitzes und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile für den weichenden Ehegatten nach den Grundsätzen der Billigkeit zu kompensieren (BGH, Urteil v. 15.2.2006, XII ZR 202/03).
Billigkeitsabwägung des Tatrichters nur begrenzt überprüfbar
Die nach dem Gesetz erforderliche wertende Betrachtungsweise des Tatrichters ist laut BGH im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt daraufhin zu überprüfen, ob das Instanzgericht die maßgeblichen Tatsachen festgestellt und gewürdigt hat und keine Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt wurden. Ein maßgebliches Kriterium für die Zuerkennung und die Bemessung einer Nutzungsentschädigung seien dabei die zwischen den Eheleuten bestehenden wechselseitigen Unterhaltsansprüche.
Maßgebliche Grundsätze einer Billigkeitsabwägung
Bei der Berücksichtigung der wechselseitigen Unterhaltsansprüche sind nach der Entscheidung des BGH folgende Grundsätze zu beachten:
- Begehrt der in der Wohnung verbliebene Ehegatte Trennungsunterhalt, ist bei der Unterhaltsbemessung der Vorteil des mietfreien Wohnens als bedarfsdeckendes oder seine Bedürftigkeit minderndes Einkommen zu berücksichtigen.
- Ist der in der Wohnung verbliebene Ehegatte seinerseits zu Unterhaltszahlungen verpflichtet, so ist der Wohnvorteil als unterhaltsrelevantes, seine Leistungsfähigkeit erhöhendes Einkommen zu berücksichtigen.
- Ist der Wohnvorteil des Ehegatten, der in der Ehewohnung verbleibt, im Rahmen einer Unterhaltsregelung, sei es durch außergerichtliche Verständigung, durch gerichtlichen Vergleich oder durch gerichtliche Entscheidung kompensiert worden, kommt wegen des Verbots der Doppelverwertung ein Anspruch des weichenden Ehegatten auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung nicht in Betracht.
Auch hypothetische Unterhaltsansprüche sind zu berücksichtigen
Im konkreten Fall fehlte es an einer Unterhaltsregelung. Diese Situation wurde bisher in der Rechtsprechung uneinheitlich behandelt. Der BGH stellte in seinem aktuellen Urteil nun klar, dass im Rahmen einer Billigkeitsprüfung auch in diesem Fall bei der Festlegung einer Nutzungsentschädigung für die Ehewohnung die unterhaltsrechtlichen Aspekte zu berücksichtigen sind. Besonders in den Fällen, in denen der einkommensschwächere Ehegatte im Hinblick auf den von ihm gezogenen Wohnvorteil von der Geltendmachung von Trennungsunterhalt abgesehen hat, sei es sachgerecht, die Wohnungsüberlassung als Teil der Unterhaltsgewährung anzusehen. Dies liege im wohlverstandenen Interesse beider Ehegatten, weil auf diese Weise ggf. kostenintensive Unterhaltsstreitigkeiten vermieden werden könnten.
Summarische Prüfung möglicher Unterhaltsansprüche reicht aus
Anders als im Unterhaltsstreit müsse im Verfahren über die Nutzungsentschädigung der Anspruch auf Trennungsunterhalt allerdings nicht bis ins letzte schwierige unterhaltsrechtliche Detail geklärt werden. Es genüge eine überschlägig vorgenommene, summarische Prüfung dahingehend, ob und gegebenenfalls in welcher Größenordnung dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten im Falle der Verpflichtung zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung ein Anspruch auf Trennungsunterhalt zustehen würde.
BGH vermisst Prüfung der Unterhaltsansprüche durch Vorinstanz
Diesen Maßstäben wurde die Entscheidung der Vorinstanz nach Auffassung des BGH nicht gerecht. Die Ehefrau habe dargelegt, dass sie bereits ohne Zahlung der vom Ehemann geforderten Nutzungsentschädigung unterhaltsbedürftig gewesen sei. Die Instanzgerichte seien dem nicht nachgegangen und hätten die gebotenen Ermittlungen zu den Einkünften der Beteiligten nicht angestellt.
Rechtsbeschwerde erfolgreich
Mit diesen Erwägungen gab der BGH der Rechtsbeschwerde der Ehefrau statt und verwies die Sache zur Klärung der Einkommensverhältnisse der Beteiligten, der daraus resultierenden Unterhaltsansprüche sowie zur Klärung weiterer offener Fragen an die Vorinstanz zurück.
(BGH, Beschluss v. 27.11.2024, XII ZB 28/23).
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