Gesamtschuldnerausgleich und Zugewinn
In einem vom BGH entschiedenen Fall hatten die Parteien während der Ehe ein gemeinsames Eigenheim erworben, zu dessen Finanzierung sie ein gemeinsames Darlehen aufnahmen. Als Eigentümer wurden beide je zur Hälfte eingetragen. Bereits während der Ehezeit wurden die Darlehensraten ausschließlich aus den Einnahmen des Ehemannes erbracht. Im September 2006 wurde der von der Ehefrau gestellte Scheidungsantrag dem Ehemann zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt valutierte das Darlehen noch mit einer Restschuld von über 100.000 EUR. In der Folgezeit bewohnte der Ehemann die Eigentumswohnung allein und entrichtete auch weiterhin alleine die Darlehensraten, ohne dass eine gesonderte Vereinbarung zwischen den Parteien hierüber getroffen wurde. Im Mai 2010 erwarb der Ehemann im Rahmen der von ihm eingeleiteten Teilungsversteigerung die Ehewohnung zu alleinigem Eigentum. Im Dezember 2013 wurde die Ehe geschieden.
Extrem divergierende Entscheidungen zum Zugewinnausgleich
Vor dem Familiengericht stritten die Parteien über den Zugewinn. Das Familiengericht hatte dem Ehemann einen Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von ca. 35.000 EUR zugesprochen. Auf die Beschwerde der Ehefrau wies das OLG dieser einen Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von ca. 14.000 EUR zu. Hiergegen legte wiederum der Ehemann Rechtsbeschwerde ein, die vom OLG zuvor zugelassen worden war.
Dreifache Berücksichtigung beim Endvermögen
Die Divergenz der vorinstanzlichen Entscheidungen beruhte im wesentlichen auf einer unterschiedlichen Bewertung der jeweiligen Endvermögen. Der BGH stellte klar, dass bei einer gemeinsam finanzierten Immobilie und bei bestehender gemeinsamer Restschuld aus der Finanzierung folgende Positionen in der Zugewinnausgleichsbilanz beim Endvermögen beider Ehegatten zu berücksichtigen sind:
- Der jeweils halbe Immobilienwert,
- die gesamtschuldnerisch zum Stichtag geschuldete volle Darlehensvaluta,
- der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich in halber Höhe der Darlehensvaluta.
Berechnungsmethode führt zu einer Quotierung der Verbindlichkeiten
Zur Begründung wies der Senat darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung die güterrechtlichen Vorschriften über den Zugewinnausgleich den Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 BGB nicht verdrängen. Gesamtschuldnerische gemeinsame Verbindlichkeiten der Ehegatten, die zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages als Stichtag für die Berechnung des Endvermögens (§ 1384 BGB) valutierten, seien beim Endvermögen beider Ehegatten in voller Höhe als Passivposten zu berücksichtigen. Demgegenüber sei der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich gegen den anderen Ehegatten (der die Befriedigung des Gläubigers nicht voraussetze) als Aktivposten einzusetzen. Dies bedeute im Ergebnis, dass Ehegatten, die als Gesamtschuldner haften, die gemeinsamen Verbindlichkeiten bei ihrem Endvermögen jeweils nur mit der Quote ansetzen können, die im Innenverhältnis auf sie entfällt (BGH, Urteil v. 6.10.2010, XII ZR 10/09).
Keine einseitige Lastentragung nach der Trennung
Der Senat wies darauf hin, dass in Anlehnung an die Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 748, 755 BGB die jeweiligen Ehepartner grundsätzlich im Innenverhältnis nach dem Verhältnis ihrer Anteile an der Wohnung, hier also zu je zu ein Halb haften. Auch wenn während des Bestehens der Ehe die Miteigentumsgemeinschaft durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert werde, und möglicherweise die Tilgung nur von einem Ehepartner geleistet wird, so falle diese Überlagerung mit dem Zeitpunkt der Trennung weg. Mit Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bestehe in der Regel kein Anlass für einen Ehegatten, dem anderen Ehegatten eine weitere Vermehrung seines Vermögens zukommen zu lassen, indem er einseitig Lasten trage.
Kein Gesamtschuldnerausgleich für die Zeit der Trennung
Nach Ansicht des Senats muss das Familiengericht in solchen Fällen allerdings prüfen, ob anderweitige Umstände vorliegen, die eine anteilige Haftung desjenigen Ehegatten, der keine Zahlungen erbracht hat, für die Zeit der Trennung ausschließen. Dies sei anzunehmen, wenn die Umstände der alleinigen Nutzung durch einen Ehegatten auf die stillschweigende Übereinkunft der Ehegatten schließen ließen, dass damit ein interner Ausgleich entfallen solle. Hiervon sei im konkreten Fall auszugehen, weil für den Zeitraum, in dem der Ehemann allein die Nutzungen gezogen und die Lasten getragen hat, Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zueinander gestanden hätten und ein nachträglicher Gesamtschuldnerausgleich insoweit nicht mehr in Frage komme (BGH, Urteil v. 13.1.1993, XII ZR 212/90).
Strikte Unterscheidung zwischen Trennungs- und Scheidungszeitpunkt
Aus dieser stillschweigenden Handhabung während der Trennungszeit kann nach Auffassung des Senats aber nicht auf die Zeit nach der Scheidung geschlossen werden. Deshalb gelte für die Zugewinnausgleichsbilanz, dass der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich in Bezug auf eine einseitige Darlehensabtragung nur dann entfällt,
- wenn diese Handhabung auch für die Zeit nach der Scheidung vereinbart werde und
- diese eine endgültige Freistellung des weichenden Ehegatten von der Darlehensschuld enthalte.
- Dies gelte entsprechend, wenn die Vereinbarung für einen langen Zeitraum festgeschrieben wird und die Dauer der Alleinnutzung des gemeinschaftlichen Eigentums durch einen Ehegatten zu dem Wert der noch offenen Darlehensvaluta in einem angemessenen Verhältnis steht.
Die Vereinbarung müsse allerdings bereits vor dem Stichtag (Zustellung des Scheidungsantrages) geschlossen worden sein, denn sonst könne sie keinen Einfluss mehr auf den Bestand des Endvermögens zum Stichtag haben.
OLG muss weiter aufklären
Im konkreten Fall hob der BGH die Entscheidung des OLG auf und beanstandete in mehreren Punkten eine nicht hinreichende Feststellung der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen. Der BGH verwies die Sache daher zur weiteren Tatsachenfeststellung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
(BGH, Beschluss v. 20.5.2015, XII ZB 314/14)
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