Ein häufiges Praxisproblem bei der Abwicklung eines Nachlasses ist die Kündigung von Konten und Spareinlagen. Wenn mehrere Erben vorhanden sind, herrscht oft Uneinigkeit darüber, was mit den Konten des Erblassers geschehen soll. Müssen alle Erben der Kündigung zustimmen, genügt Mehrheit der Erben oder ist die Mehrheit der Erbteile erforderlich?

Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass eine Erbengemeinschaft einen Girovertrag oder ein Sparkonto mit Stimmenmehrheit kündigen kann, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt.

 

Drei von zehn Erben wollten Konten kündigen

In dem vom OLG zu entscheidenden Fall hatten drei der insgesamt zehn Miterben die Kündigung des Girokontovertrages und des Sparvertrages der Erblasserin beschlossen, um das Geld bei einer anderen Bank zu einem höheren Zinssatz anzulegen. Den drei Miterben stand je ein Erbteil von 1/4, insgesamt also 3/4 zu.

 

Bank verweigert Auszahlung des Guthabens

Die beklagte Sparkasse weigerte sich jedoch, das Guthaben an die Erbengemeinschaft auszuzahlen. Die Erben dürften nur alle gemeinschaftlich über den Nachlass verfügen und die Kündigung sei, da nicht einstimmig beschlossen, unwirksam.

Die Kündigung stelle im Gegensatz zur Verwaltung eine Verfügung dar, nämlich einen Eingriff in den Kernbestand der Erbengemeinschaft und müsse deshalb einstimmig erfolgen, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei.

 

Hintergrund: Verwaltung oder Verfügung?

Gemäß § 2040 Abs. 1 BGB können Verfügungen nur gemeinschaftlich durch alle Miterben getroffen werden. Andererseits ist gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB jeder Miterbe den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind.

Was aber gilt, wenn wie hier eine Maßnahme der Nachlassverwaltung in einer Verfügung über den Nachlassgegenstand besteht? In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob dann § 2040 BGB vorgeht und Einstimmigkeit verlangt, oder ob nach § 2038 BGB auch dann nur einzelne Miterben handeln können.

 

OLG Brandenburg: Es müssen nicht alle Miterben zustimmen

Das OLG Brandenburg folgte der letztgenannten Auffassung gab den drei klagenden Miterben Recht.

 

BGH-Rechtsprechung zur ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH v. 11. 11. 2009, XII ZR 210/05), wonach die Erben einen Mietvertrag über eine zum Nachlass gehörende Immobilie mit Stimmenmehrheit kündigen können, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt, sei auf die Kündigung eines Girovertrages bzw. eines Vertrages über ein Sparkonto übertragbar.

  • Grundsätzlich gilt zwar bei einer Erbengemeinschaft, dass die Kündigung eines Vertragsverhältnisses von allen Miterben gemeinschaftlich auszusprechen ist, da dies eine Verfügung i.S.v. § 2040 Abs. 1 BGB darstellt.
  • Allerdings ist gemäß § 2038 jeder Miterbe gegenüber den anderen Miterben verpflichtet, an solchen Maßnahmen mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind.
  • Solche Maßnahmen wiederum können mit Stimmenmehrheit beschlossen werden.

Bei „ordnungsgemäßer Verwaltung“ genügt Stimmenmehrheit

Zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln, die zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung des Nachlasses dienen sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten.

Gemessen an diesen Grundsätzen stellt die Kündigung eines Girovertrages bzw. eines Vertrages über ein Sparkonto eine Maßregel zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung des Nachlasses dar, die zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung gehört. Dies ist jedenfalls dann der Fall, um bei einer sicheren Einlage die Erzielung eines höheren Habenzinses zu ermöglichen.

Durch die Kündigung sollte die Erzielung einer höheren Guthabenverzinsung (bei der Sparkasse gab’s nur magere 0,5 % p.a.) bei sicherer Einlage ermöglicht werden.

Die durch die drei Miterben erklärte Kündigung stellte sich hier somit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Beurteilers als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung dar, die mit Stimmenmehrheit beschlossen werden konnte.

 

Größe der Erbteile entscheidend

Ob die erforderliche Stimmenmehrheit gegeben ist, ist nach der Größe der Erbteile und nicht nach Köpfen zu beurteilen. Deshalb konnten die drei Miterben von der Bank die Auszahlung des Guthabens der Konten an die Erbengemeinschaft verlangen, obwohl sie nach Köpfen in der Minderzahl waren.

(OLG Brandenburg, Urteil v. 24.08.2011, 13 U 56/10).

 

Praxishinweise:

Gilt auch für Darlehensverträge

Auch ein Darlehensvertrag kann aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses der Miterben gekündigt werden (vgl.  OLG Frankfurt/Main, Urteil v.29.07.2011, 2 U 255/10). Auch in diesem Fall liegt nämlich eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung vor, wenn der Darlehensnehmer schon seit Jahren keine Zinsen mehr zahlt und die Geldanlage infolgedessen unwirtschaftlich ist.

 

Auszahlung nur an die Erbengemeinschaft, nicht an den einzelnen Erben

Die Miterben können in beiden Fällen allerdings keine Zahlung an sich selbst verlangen, sondern nur an die Erbengemeinschaft.

 

"Wenn zwei ein Erbe teilen sollen, soll der Ältere teilen und der Jüngere wählen" (Sachsenspiegel)