Pflichtteilergänzungsanspruch: Pflichtteilsberechtigung zum Zeitpunkt der Schenkung nicht notwendig
Vorinstanzen gaben Auskunftsanspruch überwiegend statt
Die 1976 und 1978 geborenen Enkel begehrten gegen ihre Großmutter im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilergänzungsansprüche nach ihrem 2006 verstorbenen Großvater. Die Großeltern hatten neben der 1984 verstorbenen Mutter der Kläger noch drei weitere Kinder und errichteten im Jahr 2002 ein gemeinsames Testament, in welchem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten. Der BGH hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob den Klägern ein Pflichtteilergänzungsanspruch zustehe, wenn sie zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers, aber nicht zum Zeitpunkt der Schenkungen pflichtteilsberechtigt waren. Im Wesentlichen ging es darum, ob die Enkel auch einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Schenkungen haben, welche der Erblasser vor Geburt der Kläger zugunsten der Großmutter vorgenommen hatte.
BGH gibt seine frühere Rechtsprechung auf
Nach der früher vom BGH vertretenen Rechtsprechung galt für einen Pflichtteilergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB die sog. Theorie der Doppelberechtigung: die Pflichtteilsberechtigung musste sowohl zum Zeitpunkt der Schenkung als auch zum Zeitpunkt des Erbfalls vorliegen (s. BGH, Urteil v. 25.06.1997, IV ZR 233/96). Mit diesem neuen Urteil hat sich der BGH von seiner Rechtsprechung abgewandt und die Voraussetzungen erweitert. Grund dafür sei neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Sinn und Zweck der Vorschrift - die Sicherstellung der Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers.
Bisherige Rechtsprechung: Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG
Daher sei es unerheblich, ob die Pflichtteilsberechtigung schon zum Zeitpunkt der Schenkung vorgelegen hat oder nicht. Die bisherige Auffassung führe zu einer grundgesetzlich nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von Abkömmlingen des Erblassers, da es den Pflichtteilergänzungsanspruch von dem Zufall abhängig mache, ob der Abkömmling vor oder nach der Schenkung geboren wurde.
(BGH, Urteil v. 23.05.2012, IV ZR 250/11)
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