Zum Ausgleich ehebedingter Nachteile
Diese Grundsatzentscheidung hat der BGH in folgendem Fall getroffen: Die Ehe der Beteiligten wurde im November 2011 rechtskräftig geschieden. Im Scheidungsverbund stritten sie noch über nachehelichen Unterhalt. Aus der Ehe ist ein im Juli 2003 geborener Sohn hervorgegangen, der seit Trennung der Ehegatten im Frühjahr 2006 bei der Antragsgegnerin (Ehefrau) lebte und von dieser betreut wird. Der Ehemann erzielte bereinigte Nettoeinkünfte nach Abzug des Kindesunterhalts in Höhe von monatlich 3.679 Euro; die Ehefrau erzielte monatlich bereinigt 1.116 Euro. Das Familiengericht hat den Ehemann verpflichtet, seiner geschiedenen Ehefrau monatlich nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.183 Euro zu zahlen. Auf die Beschwerde des Ehemannes ermäßigte das OLG den monatlich zu zahlenden Unterhalt auf 965 Euro . Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Ehemann eine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts auf 311,34 Euro monatlich.
Rechtsbeschwerde war begründet
Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde für begründet. Zunächst stellte der Familiensenat klar, dass grundsätzlich neben dem Anspruch auf Betreuungsunterhalt auch ein solcher auf Aufstockungsunterhalt bestehen kann. Zur Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen sei danach zu unterscheiden, ob wegen bestehender Hindernisse eine Erwerbstätigkeit vollständig oder zum Teil ausgeschlossen sei. Im vorliegenden Fall liege eine teilweise Erwerbsminderung vor, weil wegen der noch erforderlichen Betreuung des gemeinsamen Sohnes die Ehefrau lediglich eine Dreiviertelstelle als pharmazeutisch-technische Assistentin ausüben könne. Hinsichtlich des Einkommensausfalls sei der Unterhaltsanspruch auf die § 1570-1562 BGB zu stützen, im übrigen auf §1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt).
Herabsetzung des Unterhalts ist grundsätzlich möglich
Der BGH wies darauf hin, dass gemäß § 1570 BGB ein Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts herabzusetzen ist, wenn der volle Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Kriterien für die Billigkeitserwägungen seien neben der Dauer der Ehe die Faktoren, die dem Unterhaltsberechtigten ehebedingte finanzielle Nachteile gebracht hätten. Ein solcher Nachteil sei daran zu messen, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (BGH, Beschluss v. 19.06.2013, XII ZB 309/11). Insoweit stellte der BGH ausdrücklich klar, dass die im Rahmen von § 1570 BGB anzustellenden Billigkeitserwägungen bereits alle Umstände, die für oder gegen eine Begrenzung des Unterhalts sprechen, enthalte. Für eine Befristung oder Begrenzung des Unterhalts gemäß § 1578 b BGB sei daneben grundsätzlich kein Raum (BGH, Urteil v. 15.9.2010, XII ZR 20/09).
Versorgungsnachteile der Ehefrau sind fraglich
Im konkreten Fall sah der BGH keine ehebedingten Nachteile der Ehefrau in ihrer beruflichen Entwicklung. Daneben seien ehebedingte Nachteile aber auch durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit und die hierdurch verursachten geringeren Rentenanwartschaften des Unterhaltsberechtigten denkbar. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass für die Dauer der Erwerbsunterbrechung ein Versorgungsausgleich – aus welchen Gründen auch immer – nicht stattfinde (BGH, Urteil v. 16.04.2008, XII ZR 107/06). Insoweit sei zu berücksichtigen, dass dieser ehebedingte Nachteil sich nach Scheidung der Ehe in der Regel fortsetze, wenn aufgrund der gewählten Rollenverteilung - insbesondere wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder - der Ehegatte weiterhin daran gehindert sei, ausreichend Rentenanwartschaften durch eine eigene Erwerbstätigkeit aufzubauen.
Ausgleich der Versorgungslücke durch Vorsorgeunterhalt
Die Besonderheit der jetzigen Entscheidung des BGH liegt darin, dass nach Auffassung des BGH auch dieser Nachteil ausgeglichen wird, wenn der betreuende Ehegatte zum Zweck der freiwilligen Erhöhung seiner Altersrente und Invaliditätsabsicherung einen über den Elementarunterhalt hinausgehenden Versorgervorsorgeunterhalt gemäß § 1578 Abs. 3 BGB erlangen kann. In diesem Fall werde der Unterhaltsberechtigte hinsichtlich der Altersvorsorge so behandelt, als ob er aus einer versicherungsfähigen Erwerbstätigkeit zusätzliche Nettoeinkünfte in Höhe des ihm zustehenden Elementarunterhalts hätte. Der nach dieser Vorschrift zuzubilligende Vorsorgeunterhalt diene grundsätzlich der Vervollständigung einer durch die Erwerbstätigkeit bereits erzielten Altersvorsorge (BGH, Urteil v. 05.11.1998, XII ZR 33/97).
Zurück ans OLG
Diesen Zusammenhang hat – so der Senat – das OLG in seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt. Allerdings konnte der BGH nicht feststellen, ob im konkreten Fall noch weitere Billigkeitserwägungen anzustellen sind. Aus diesem Grund sah das Gericht sich außer Stande, eine eigene Entscheidung zu treffen und verwies die Sache zur Durchführung der erforderlichen weiteren umfassenden Billigkeitserwägungen an die Vorinstanz zurück
(BGH, Urteil v. 26.02.2014, XII ZB 235/12)
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