Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzelfall eines Dienstunfalls in Gestalt eines ansonsten. FSME, Borreliose. folgenlos gebliebenen Zeckenstichs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Einzelfall kann auch ein ansonsten (FSME, Borreliose usw.) folgenlos gebliebener Zeckenstich die Merkmale eines nicht nur als Bagatellschaden zu wertenden Körperschadens aufweisen, und zwar im Hinblick auf die Notwendigkeit der Entfernung der Zecke und der noch fortbestehenden Infektionsgefahr. (Abweichung von VG Ansbach, Urteil vom 28.02.2007 – N 11 K 06.02510).

2. Zu den Merkmalen der örtlichen und zeitlichen Bestimmbarkeit eines Zeckenstichs und der Beweiserleichterung bei typischen Geschehensabläufen und zeitlicher Eingrenzbarkeit (Abweichung von OVG Lüneburg, 07.07.2005, ZBR 2006, 215 und VG Stade, 07.03.2007 -3 A 1932/05).

3. Ein von einem Polizeibeamten im Außendienst erlittener Zeckenstich beruht nicht auf einer sog. Gelegenheitsursache, nur weil eine potenzielle Gefährdung durch Zeckenstiche ein allgemeines Risiko darstellt.

 

Normenkette

BeamtVG § 31

 

Tenor

Unter Aufhebung des Bescheides vom 01.08.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2006 wird der Beklagte verpflichtet, das vom Kläger angezeigte Ereignis vom 14.06.2006 als Dienstunfall anzuerkennen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Zeckenstichs als Dienstunfall.

Der Kläger steht als Polizeibeamter – Polizeikommissar – im Landesdienst. Mit Dienstunfallanzeige vom 15.06.2006 teilte er dem Beklagten mit, am Vortag bei einer Geschwindigkeitskontrolle an der B 41 von einer Zecke im Bereich des linken Schienbeins gebissen worden zu sein. Die Zecke sei am 15.06.2006 von Frau Dr. R., M., entfernt worden.

Durch Bescheid vom 01.08.2006 lehnte der Beklagte die Anerkennung des Geschehens als Dienstunfall mit der Begründung ab, es fehle an der erforderlichen Dienstbezogenheit, denn ein Zeckenbiss gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006 (zugestellt am 25.12.2006) mit der (zusätzlichen) Begründung zurück, „unabhängig von der im vorliegenden Falle mangelnden örtlichen und zeitlichen Bestimmbarkeit des Unfallereignisses” könne die „besondere Dienstbezogenheit nur angenommen werden, wenn die dienstliche Tätigkeit des Beamten erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade dieser bestimmten Erkrankung in sich” berge. „Der Aufgabenbereich eines Polizeibeamten (erstrecke) sich nur in Ausnahmefällen auf das Durchstreifen eines… mit hohem Gras bewachsenen Wiesengeländes, wo das Risiko, von einer Zecke gebissen zu werden, erhöht sei.

Mit seiner am 18.01.2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Dabei rügt er insbesondere die Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden zur allgemeinen und besonderen Dienstbezogenheit. Vorliegend reiche es aus, dass sich der Kläger den Zeckenbiss im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit zugezogen habe. Weitergehende körperliche Beeinträchtigungen seien zwar bisher nicht aufgetreten, aber es könne durchaus eine Borreliose aufgrund des Zeckenbisses entstehen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 01.08.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2006 den Beklagten zu verpflichten, das Ereignis vom 14.06.2006 als Dienstunfall anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt, ergänzt und vertieft seinen Standpunkt.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Unfallvorgangs (1 Hefter); er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung des in Rede stehenden Ereignisses als Dienstunfall. Die dies ablehnenden Entscheidungen des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Entgegen der Auffassung des Beklagten erfüllt der Zeckenstich (um den es sich genau genommen handelt, weil die Zecke mit ihren Mundwerkzeugen die Haut einritzt, den Stechapparat in die Wunde schiebt und das austretende Blut bzw. die Lymphe „leckt”), sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG.

Danach ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.

1. Entgegen der Auffassung beispielsweise des VG Ansbach

Urteil vom 28.02.2007 – AN 11 K 06.02510 – m.w.Nw. (juris)

handelt es sich bei einem Zeckenstich keineswegs nur um eine Bagatellverletzung, die schon begrifflich einen Körperschaden ...

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