Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verzichtserklärung des Fiskus auf sein Aneignungsrecht gemäß § 928 Abs. 2 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verzichtserklärung des Fiskus auf sein Aneignungsrecht gemäß § 928 Abs. 2 BGB ist eine materiell-rechtliche Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt. Sie unterliegt, wie alle materiell-rechtlichen Erklärungen, der Auslegung.
2. Die Wirksamkeit einer Verzichtserklärung des Fiskus gemäß § 928 Abs. 2 BGB ist nicht davon abhängig, dass der Verzicht ins Grundbuch eingetragen wird.
Normenkette
BGB § 928
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten vom 5. April 2022 wird die Zwischenverfügung des Grundbuchamts des Amtsgerichts L. vom 2. April 2022 aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, von seinen Bedenken Abstand zu nehmen, dass die Verzichtserklärung des Landes Schleswig-Holstein, vertreten durch die Oberfinanzdirektion Kiel, vom 21. Februar 1986, betreffend die im Grundbuch von L. Blatt ... eingetragenen Flurstücke, unwirksam ist.
Gründe
I. Im betroffenen Grundbuch von L. Blatt ... ist seit dem 14. April 1985 eingetragen, dass die letzte eingetragene Eigentümerin, die N. mbH in L., auf ihr Eigentum verzichtet hat.
In dem betroffenen Grundbuch waren unter der laufenden Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses damals die Flurstücke ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... der Flur ..., Gemarkung K. der Größe von insgesamt 543 m2 eingetragen.
Das Land Schleswig-Holstein, endvertreten durch die Oberfinanzdirektion Kiel, hat mit gesiegelter und unterschriebener Erklärung vom 21. Februar 1986 zur Grundbuchbezeichnung "Grundbuch von L. Blatt ..." erklärt, dass es auf das ihm zustehende Aneignungsrecht für die "herrenlosen Flurstücke ... u. a. der Flur ... in der Gemarkung K. in einer Größe von 543 qm" verzichte.
Nach Eingang der Verzichtserklärung am 26. Februar 1986 hat das Grundbuchamt zunächst die Grundbuchakte des Grundbuchs von L. Blatt ... beigezogen, alsdann am 27. Februar 1986 auf der Verzichtserklärung vermerkt, dass die Erklärung "HL ..." betreffe, und die Verzichtserklärung zur Grundakte von L. Blatt ... genommen.
Das Flurstück ... ist aufgrund einer Teilungsgenehmigung der Hansestadt L. vom 25. September 1996 in die Flurstücke ... und ... geteilt worden und aufgrund einer Bestandsberichtigung nach dem Liegenschaftsbuch am 6. Januar 1997 im Grundbuch gerötet worden.
Das Flurstück ... der Größe von 24 m2 ist am 4. März 1997 auf das Grundbuch L. Blatt ... übertragen worden, nachdem Herr S. sich dieses mit notariell beglaubigter Erklärung vom 17. Januar 1997 - UR.-Nr. ... des Notars W. in L. - unter Bezugnahme auf die Verzichtserklärung des Landes Schleswig-Holstein vom 21. Februar 1986 angeeignet und seine Eintragung als Eigentümer beantragt hatte. Die Bestandsgröße ist danach von 543 m2 auf 519 m2 berichtigt worden.
Am 2. Juni 2017 ist das Flurstück ... auf das Grundbuch von L. Blatt ... übertragen worden, nachdem Herr H. sich dieses mit notariell beglaubigter Erklärung vom 23. März 2017 - UR-Nr. ... des Notars W. in L. - unter Bezugnahme auf die Verzichtserklärung des Fiskus vom 21. Februar 1986 angeeignet und seine Eintragung als Eigentümer beantragt hatte.
Aktuell sind danach nur noch die Flurstücke ... bis ..., ... bis ..., ... bis ... und ... der Größe von insgesamt 476 m2 eingetragen.
Der Beteiligte hat mit notariell beglaubigter Erklärung vom 13. Januar 2022 - UR.-Nr. ... des Notars D. in O. - unter Bezugnahme auf das betroffene Grundbuchblatt mitgeteilt, dass er von seinem Aneignungsrecht an den vorgenannten Flurstücken Gebrauch mache, und beantragt, ihn als Eigentümer einzutragen.
Zeitlich danach hat Frau T. mit notariell beglaubigter Erklärung vom 15. März 2022 - UR-Nr. ... der Notarin H. in B. - erklärt, dass sie sich die Flurstücke ... und ... aneigne, und beantragt, diese dem Grundbuch Blatt ... zuzuschreiben, in dem sie als Eigentümerin eingetragen ist. Dem Antrag lag jedenfalls eine Verzichtserklärung des Landes Schleswig-Holstein vom 19. November 2021 zu ihren Gunsten in Bezug auf das Flurstück ... bei. Ob auch für das Flurstück ... eine Verzichtserklärung zu ihren Gunsten beilag, ist aus den vom Grundbuchamt übersandten Ausdrucken aus der elektronischen Akte nicht erkennbar.
Mit "Zwischen-/Aufklärungsverfügung" vom 2. April 2022 hat das Grundbuchamt dem Beteiligten mitgeteilt, dass keine korrekte Verzichtserklärung des Landes Schleswig-Holstein vorliege, weil die Verzichtserklärung sich auf das Grundbuch von L. Blatt ... beziehe, während das betroffene Grundbuch die Blattbezeichnung ... habe. Darüber hinaus sei die Angabe "Flurstücke ... u. a." zu unbestimmt, weil nicht mit Bestimmtheit entnommen werden könne, auf welche Flurstücke sich die Verzichtserklärung beziehe. Bezüglich der Flurstücke ... und ... der Flur ..., Gemarkung K., liege inzwischen eine Verzichtserklärung des Landes Schleswig-Holstein vom 19. November 2021 vor, wonach zugunsten von Frau T. auf das Aneignungsrecht verzichtet werde. Es werde daher um Vorlage einer mit korrekter Grundbuchblattbez...